Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
Vom Netzwerk:
erwischt als je zuvor. Schon seltsam.
    Irgendwann wunderte er sich selbst über seine Fügsamkeit – und das, obwohl er sich geschworen hatte, Phyllis nicht alles durchgehen zu lassen, wenn sie erst mal miteinander verlobt waren. Er gab (leihen konnte man es nicht nennen) Anthea auf Phyllis’ Bitte hin hundert Pfund. Was bin ich doch für ein Engel, wunderte er sich, als er zusah, wie das Geld auf Nimmerwiedersehen in Antheas Handtasche verschwand. Ob Phyl jeden Abend tanzen gehen will, auch wenn wir verheiratet sind?, fragte er sich. Er hatte nichts gegen Tanzen, genauso wenig wie gegen Billard, Bridge, Tennis und Squash, aber das wollte er auch nicht jeden Tag machen. Gelegentlich, wenn er einen besonders anstrengenden Arbeitstag hinter sich hatte, war er sogar ein klein bisschen erschöpft. Phyl war nie erschöpft. In den fünfzehn Jahren, seit er sie kannte, hatte er nie erlebt, dass sie jemals gesagt hätte, sie sei erschöpft.
    Ob sie je müde werden würde, wenn sie verheiratet waren? Er hoffte es, bezweifelte es aber.
    Die Wahrheit war, dass Phyllis’ Lieblingsbeschäftigungen ein wenig zu feminin für ihn waren. Vor fünfzig Jahren wäre er besser zurechtgekommen, als die Vergnügungen und Interessen der Geschlechter noch strenger getrennt waren. Er verbrachte gern mal einen wilden Männerabend (oder auch einen zahmen), er saß gerne brütend über der Zeitung, mit diesem seltsam abwesenden Ausdruck, den Männer haben, er ließ sich gern in aller Ruhe die Nachrichten durch den Kopf gehen und wollte nicht immer gleich darüber reden. Er schaute sich gern allein ein Fußballspiel oder ein Tennismatch an, er fuhr gern allein mit dem Auto herum.
    Und er behielt für sich, was er in Wahrheit über Frauen dachte. Das konnte er nur mit seiner Mutter besprechen, die dieselben Ansichten vertrat.
    Diese Ansichten waren beklagenswert altmodisch und strotzten vor männlicher Überheblichkeit. Er konnte das Gefühl einfach nicht loswerden (auch wenn er es vor Phyllis und Konsorten verbergen musste), dass sich Frauen, sofern nicht gerade ein Mann ihre Aufmerksamkeit brauchte, mit weiblichen Beschäftigungen die Zeit vertreiben sollten, etwa Nähen oder Blumenarrangements oder den Kindern. Er konnte keine Spur von Bewunderung für Frauen aufbringen (obwohl er natürlich auch das verbergen musste), die die Welt umflogen, Autorennen gewannen, brillante Romane schrieben oder große Unternehmen leiteten.
    Er bewunderte Frauen nur für ihre Schönheit, Fügsamkeit und herrlichen Kleider. Natürlich musste er so tun, als würde er auch das andere bewundern, denn das taten jetzt alle (oder behaupteten es), doch insgeheim hielt er das alles für großen Mist. Wann immer er mit Männern zusammenkam, von denen er wusste, dass sie derselben Ansicht waren, tauschte man dieses gewisse Lächeln und murmelte: »Was für ein Mist.« Kluge, intelligente Frauen, Sportlerinnen, Künstlerinnen – was für ein Mist. Das mochte an unterdrücktem Neid liegen. Oder an der natürlichen Abneigung des gesunden Individuums, das es sich in seinem Revier bequem gemacht hat, gegen das Eindringen eines anderen, anders denkenden und handelnden Individuums, das ihm die wohlverdienten Pfründe streitig machen will. Darüber kann man geteilter Ansicht sein.
    Vic entwickelt sich prächtig, dachte Phyllis zufrieden. Überhaupt keine Scherereien mehr mit ihm.
    Das war mehr, als sie von dieser fiesen kleinen Schlampe Hetty behaupten konnte. Andauernd machte sie abfällige Bemerkungen über die Farben und die Möbel, die Phyllis mochte, und lobte alles, was Phyllis abscheulich fand. Ihre Abneigung gegenüber Hetty wuchs von Tag zu Tag. Die beiden gingen einander mittlerweile so auf die Nerven, dass sie es kaum fertigbrachten, ein Minimum an Höflichkeit zu wahren. Mrs Spring hatte beiden bereits eine Standpauke gehalten, deren Ergebnis gleich null gewesen war. Phyl wünschte, Hetty würde heiraten, egal wen, und zwar so schnell wie möglich, und dann am besten auswandern. Hetty wünschte lediglich, Phyl würde sich eine schlimme Erkältung einfangen und sterben. Beide hielten einander für unerträglich. Die Tatsache, dass Vic seine Cousine so gern hatte, machte Phyllis noch wütender. Er hatte kein Recht, zu jemandem zu halten, den seine Verlobte nicht ausstehen konnte.
    Trotz dieser Spannungen genossen alle außer Hetty den Aufenthalt in London so sehr, dass man beschloss, bis zu Beginn des nächsten Jahres zu bleiben. Dann würde Phyllis mit ein paar

Weitere Kostenlose Bücher