Der Sommernachtsball
Freunden für drei Wochen nach Mürren verreisen, und wenn sie wiederkäme, würde sie sich mit Feuereifer an die Vorbereitungen für die im April stattfindende Hochzeit machen.
Eines trüben Nachmittags Anfang November war Saxon unterwegs nach Hause. Der Abend war früh hereingebrochen, schon den ganzen Tag war es trüb und neblig gewesen. Der Nebel dämpfte alle Geräusche, das Brummen der vorbeifahrenden Autos und das Holpern der Reifen über die schlammigen, aufgeweichten Straßen. Das Zwitschern eines Rotkehlchens, das im Gebüsch gegenüber dem Anwesen der Whiters saß, klang im Kontrast dazu überraschend laut und süß in der traurigen Stille. Tropf … tropf … tropf … machte es in der Senke des Einsiedlers, wo der Nebel so dicht war, dass er schwer von den Bäumen auf die feuchte Erde fiel. Das Bächlein war angeschwollen, aber mit Herbstblättern verstopft. Träge kroch es zwischen den nassen, zugedeckten Ufersäumen dahin. Saxon überquerte die Planke und erklomm die Böschung auf der anderen Seite.
Er war dünner geworden, sah besorgt und gereizt aus. Mit gesenktem Kopf trottete er dahin, und einmal stieß er sogar einen schweren Seufzer aus.
Es war fast dunkel, als er die letzte, von kahlen Buchen umstandene Lichtung überquerte. Vor ihm lag das Häuschen. Er hatte eine Taschenlampe dabei, die er nun anknipste, um sich den restlichen Weg auszuleuchten. Vom Gasthof und von der Autowerkstatt an der Wegscheide schimmerte schwaches Licht herüber, und auch im Häuschen brannte Licht. Als er näher kam, konnte er ins Wohnzimmer sehen, weil die Vorhänge nicht ganz zugezogen waren.
Das Erste, was er sah, waren eine Flasche und zwei Gläser und dann einen roten Arm, der um einen Nacken geschlungen war, über dem sich dichte silberne Locken türmten.
Saxon stieß die Tür mit dem Fuß auf. »Raus!« Seine Gestalt zeichnete sich scharf vor dem nebligen Dunkel ab.
Mrs Caker plumpste vom Schoß des Einsiedlers und raffte hastig ihre Bluse zusammen. Sie lachte, schaute aber auch ein bisschen ängstlich drein. Der Einsiedler, der einen betrunkenen Eindruck machte, erwiderte Saxons grimmigen Blick mit einem zwar verschwommenen, aber höchst würdevollen Ausdruck und winkte weltmännisch ab.
»Was machst du denn hier?«, sagte Mrs Caker und knöpfte ihre Bluse zu. »Ich dachte, du wärst in Chesterbourne. Sich so anzuschleichen!«
»Raus«, wiederholte Saxon mit einer Kopfbewegung zur Tür, den Blick durchdringend auf den Einsiedler gerichtet.
»Na, na«, sagte der Einsiedler, der sich nun ebenfalls zuknöpfte, aber keine Anstalten machte zu gehen. »Nich in dem Ton, du Schnösel. Ick geh, wenn ick so weit bin, und nich eher, kapische? Hab dich nich verraten. Hab keen Wort jesacht, wa? Keenen Penny mehr verlangt, wa? Sei vanünftich, sonst kriegste noch mal wat uffen Kopp von mir. Lass mich in Frieden, dann lass ich dich in Friedn, wa?«
Er schenkte sich Bier nach, wobei eine ganze Menge danebenging. Vorwurfsvoll schüttelte er den Kopf.
Saxon war mit wenigen Schritten bei ihm und packte ihn bei den Schultern. Durch das mit Zeitungspapier gepolsterte Sackleinen konnte er die kräftigen, muskelbepackten Schultern des Einsiedlers fühlen. Seine eigenen Hände wirkten geradezu winzig und hilflos, wie sie sich an diese Masse klammerten.
»F-foten wech!«, röhrte der Einsiedler und kam schwankend auf die Beine. »Fass mich ja nich an, du kleener Bastard, oder ich schlitz dir – schwör’s!«
Er stieß gegen den Tisch, die Bierflasche fiel um und zerschellte schäumend auf dem Boden. Sie rangen einige Sekunden lang wortlos und schwer atmend miteinander. Fast wären sie auf dem verschütteten Bier und den Scherben ausgerutscht. Mrs Caker stand bei der Tür und kreischte hilfsbereit.
»Sei still! Du hetzt uns ja die ganze Nachbarschaft auf den Hals«, keuchte Saxon, inzwischen puterrot. Er wurde vom Einsiedler zur Tür gedrängt.
»Tu ihm nichts«, flehte Mrs Caker, die sehen konnte, dass Saxon den Kürzeren zog. »Lass ihn los, Dick, komm schon, jetzt lass ihn.«
»Hat mich anjegriffen«, brüllte der Einsiedler, dass es durchs ganze neblige, dunkle Tal hallte. »Der dreckige Lümmel. Bloß weil ich’s auch gern hab, scho wie jeder. Scho wie jeder, der dreckige … Aber jetzt sachich’s, hörste? Jetzt sachich’s!« Er stieß den roten, schwitzenden und fluchenden Saxon zur Tür. »Hab keen Wort nich jesacht, keen Wort, keenen Penny mehr verlangt, aber jetzt sach’ich’s, Jottverdammtnochmal, jetzt
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