Der Sommernachtsball
runden Buchten von Wales. Selbst die Badenden, die kreischend und spritzend ins laue Wasser liefen, spürten die Schönheit des Meeres in diesem magischen grünlichen Licht.
»Ist gut, am Leben zu sein, was?«, sagte man mit charakteristischer englischer Zügellosigkeit zueinander. »Schön, an einem Abend wie diesem am Leben zu sein, eh?« – in einer Welt voller Gewalt und monströser Waffen.
Tina hatte es aufgegeben, vernünftig zu sein, wenn es um Saxon ging. Sie war in ihn verliebt, das hatte sie sich jetzt eingestanden und wollte es gar nicht anders. Zum ersten Mal in einem, so erschien es ihr, endlos langen wie toten Leben empfand sie wieder ein Gefühl, so stark wie Wein und so wärmend wie ein Sonnenstrahl. Es war ihr nicht bewusst, aber ihre Liebe war eine kindliche Liebe: Sie verlangte nichts als ein Lächeln, ein gutes Wort hie und da und den Anblick des Geliebten. Solange sie jeden Tag ihre Fahrstunde haben und züchtige kleine Neckereien mit Saxon wechseln konnte, war sie wunschlos glücklich. Es machte ihr nichts aus, dass er sie nicht liebte. An diese Seite der Medaille dachte sie kaum, sie war so damit beschäftigt, seine Schönheit, seine Jugend, den Klang seiner Stimme, die Farbe seiner Augen anzuhimmeln. Sie wünschte, dass das Leben ewig so weitergehen möge, in diesen träumerischen, heißen Frühsommerwochen, in denen sie Saxon jeden Tag sah.
In den Nächten stand sie oft lange am Fenster und schaute zum dunklen Wald hinaus, aus dem dieser Vogelgesang herüberdrang! Wie der Klang der Liebe selbst. Falls Amor je auf dieser Erde wandelte, in den alten, antiken Zeiten, vor Tausenden von Jahren, geboren aus den leidenschaftlichen Träumen von Liebenden, dann musste sie so geklungen haben, seine Stimme. Ein scheues, geflügeltes Wesen, das sang.
Saxon war zwar noch immer geschmeichelt von Miss Tinas Interesse, doch allmählich machte er sich Sorgen. Sie sagte nie direkt etwas, natürlich nicht, aber sie hatte eine Art, ihn anzusehen, die ihm zwar gefiel, ihn aber auch verlegen machte. Was konnte man tun? Was sollte man tun? Das Ganze war ziemlich harmlos; trotzdem fragte er sich, was der Alte wohl dazu sagen würde, wenn er es wüsste. Rausschmiss .
Er hatte sowieso gehen wollen, wenn der Sommer vorbei war. Doch nicht ohne Referenzen. Und seit die Sache mit Miss Tina begonnen hatte, war er sich gar nicht mehr so sicher, ob er wirklich gehen sollte. Es konnte sich auszahlen, noch ein wenig zu bleiben. Wie es sich auszahlen konnte, wusste er immer noch nicht so recht, denn seine Fantasie war alles andere als kühn. Noch sah er nur einen Weg, sich den sagenhaften Reichtum zu verschaffen, von dem er träumte: durch Fleiß und harte Arbeit. Trotzdem, er war nun nicht länger rastlos und unzufrieden, ja, er begann sich bei den Withers sogar ein bisschen wohlzufühlen.
Auch galt es, Miss Tinas Gefühle in Betracht zu ziehen. Er nahm an, dass sein Fortgehen sie ganz schön hart treffen würde (ein Gedanke, der Unbehagen, ja Niedergeschlagenheit in ihm auslöste). Und auch ihm würde sie fehlen. Sie war ein niedliches kleines Ding, auch wenn sie ein bisschen älter war als er. Sanft, still und süß, mit ihren großen braunen Augen und dem hübschen Lächeln. Er fing an, sich auf die täglichen Fahrstunden zu freuen. Auch begann er mit Miss Tina zu flirten. Nur ein bisschen, natürlich, nichts Unanständiges. Ah, eine fast vergessene Kunst! Von Psychologen in die Abstellkammer verbannt. Experten, die einem weismachen, es sei gesundheitsschädlich, seine Gefühle zu unterdrücken, und einem raten, sich doch gleich ein Hotelzimmer zu nehmen, um die Sache hinter sich zu bringen. Wie sehr sie das Händchenhalten verachten, die tiefen Blicke, doppeldeutige Konversationen, Komplimente – all die guten, bewährten Methoden der schönsten aller Künste! Arme Psychologen, wie ernst sie alles nehmen, wie gut sie es mit uns meinen. Und wie viel ihnen dabei entgeht.
Saxon und Tina ließen sich also treiben; Tina wunschlos glücklich, Saxon besorgt. Er fragte sich, wohin das alles führen würde und – in seiner achtsam-ehrgeizigen Art – wie er sich die Situation wohl am besten zunutze machen konnte.
Am Tag, an dem der Ball stattfand, gerieten zwei unserer Heldinnen wegen ihrer Ballkleidung unter Beschuss.
Auf Grassmere platzte Mrs Spring gereizt in Hettys Zimmer. Ihre Nichte hockte vor einem Bücherregal. Schärfer als beabsichtigt erkundigte sich Mrs Spring, was sie zum Ball anzuziehen gedenke.
»Ach,
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