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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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von Swing, Mr Spring?« Lady Dovewood tat gerne so, als wäre sie nicht ganz auf der Höhe der modernen Zeiten.
    Ja, Victor wusste eine ganze Menge über Swing. Er fand, dass Joe Knoedler’s Boys ein perfekter Ersatz wären, vorausgesetzt, sie waren noch nicht ausgebucht. Ob es Lady Dovewood recht wäre, wenn er eine entsprechende Vereinbarung mit Knoedlers Agent treffen würde? Er wolle heute sowieso ins West End fahren. Was die Kosten betraf, solle sich Lady Dovewood keine Gedanken machen, er, Victor, wäre nur zu gerne bereit, diese zu übernehmen.
    Lady Dovewood war überaus dankbar, das sei äußerst großzügig von Mr Spring.
    »Mist«, sagte Victor, als er auflegte. Jetzt würde er doch zu dem verdammten Ball gehen müssen; dabei hatten er und Phyl schon beschlossen gehabt, sich diesmal zu drücken. Er fand ihn jedes Jahr öder: immer dieselben Gesichter über denselben Abendkleidern, derselbe Schinken, gespickt mit denselben Nelken aus dem Kräutergarten der Dovewoods, derselbe alte, zugige Ballsaal. Das Ganze war wirklich äußerst lästig.
    Aber wenn es ihm gelang, Joe Knoedler’s Boys zu verpflichten, dann würde er sich wohl oder übel blicken lassen müssen. Wenn sie sich betranken oder die Damen belästigten, würde das auf ihn zurückfallen. Auch musste er wohl Lady Dovewood die Gelegenheit geben, sich bei ihm zu bedanken. Er hatte geplant, an dem Abend bei Phyls Familie in der Stadt zu bleiben und seine Mutter in letzter Minute anzurufen, um abzusagen. Aber jetzt musste er wohl doch hingehen. Mist und noch mal Mist. Er schlug den DAILY TELEGRAPH auf und hatte das Ganze schon eine Minute später vergessen.
    Es wäre zwar interessanter und einfacher gewesen zu behaupten, dass am Vorabend des Balls allerorten freudige Aufregung herrschte. Aber das hätte nicht der Wahrheit entsprochen. Das Kino, die neue Hunderennbahn, die von der Spring Developments Association unweit von Bracing Bay aus dem Boden gestampft worden war, das Radio und die vierzehntägig stattfindenden Bälle in den Sälen der großen Kurhotels von Chesterbourne hatten dem Ball weitgehend seinen Vorkriegsglanz geraubt. Es war jetzt möglich, sich das ganze Jahr über zu vergnügen statt nur einmal im Jahr, um den 14. Juni herum. Den Einwohnern von Chesterbourne war’s so lieber.
    Dennoch blieb der Ball eine feste Institution, die ländliche Bevölkerung kannte ihn von klein auf aus den Erzählungen ihrer Großväter und Großmütter und mochte ihn nicht missen. Daher waren, als der Abend heranrückte, alle Friseure ausgebucht, Woolworth verkaufte jede Menge kleiner Fläschchen mit knalligem Nagellack und Burgess and Thompson einen ganzen Stapel feinster Seidenstrümpfe.
    Die Eintrittskarten waren in vier Preiskategorien aufgeteilt: drei Shilling und sechs Pence, fünf Shilling, sieben Shilling und sechs Pence und eine halbe Guinea. Niemand bekam dafür auch nur einen Bissen mehr zu essen oder mehr Dekoration geboten, denn das Geld floss direkt dem guten Zweck zu, dem Hospiz, das chronisch in den letzten Zügen lag. Es war Ehrensache, so viel wie möglich für die Karten auszugeben. Lady Dovewood gab jedes Jahr stolz im CHESTERBOURNE ECHO bekannt, dass dieses Jahr nur so und so viele von den billigsten Karten verkauft worden seien. Es war Tradition, dass es jedes Jahr weniger wurden. Und falls nicht, dann drehte es Lady Dovewood, die machiavellistische Methoden nicht scheute, so hin.
    Der Landadel gab natürlich am meisten für die Karten aus. Manche verdoppelten den Preis sogar. Mr Wither zum Beispiel. Und Mrs Spring, die die Angewohnheit hatte, spontan hohe Schecks an Krankenhäuser und Pflegeheime auszustellen, verdreifachte ihn.
    Es war sehr heiß in den zwei Tagen vor dem Ball. Ein großer runder Mond stand am Himmel und goss sein Licht über den ausladenden Kronen der sommerbelaubten Bäume aus. Das Land schien sich die ganze Nacht nicht zur Ruhe begeben zu wollen, auf den Straßen flitzten käfergleich Automobile gen Süden zu den Stränden, für ein mitternächtliches Bad. Aus den kleinen Häusern an den Küsten und den Strandhütten fiel die ganze Nacht lang ein goldener Lichtschein, lachende Stimmen erfüllten die Luft, und Handtücher schrubbten über nasse Körper. Man muss das ausnutzen, hieß es, so was erlebt man nicht oft. Lange, silberne Wellen rollten, atemberaubend schön, über die dunklen Felsen von Cornwall, die weißen Felsen von Sussex und über die weiten, festen Sandstrände von Northumberland, die kleinen

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