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Der Sommernachtsball

Der Sommernachtsball

Titel: Der Sommernachtsball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gibbons
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daran hab ich noch gar nicht gedacht. Mein lila Kleid, nehme ich an«, antwortete Hetty zerstreut, »obwohl, das hat Weinflecken. Aber die kann Davies sicher wieder rausmachen, oder?«
    »Weinflecken?«, fauchte Mrs Spring. »Wie konnte das passieren? Wie ungeschickt du bist, Hetty … ein ganz neues Kleid, erst einmal getragen.«
    »Es war nicht meine Schuld. Phyl hat mich gestoßen.«
    »Unsinn. Phyl ist nicht so ungeschickt.«
    »Doch, wenn sie will.«
    »Was soll das heißen? Willst du sagen, es war Absicht?«
    Hetty nickte.
    Aber anstatt ungläubig und zornig zu reagieren, starrte Mrs Spring nachdenklich zu Boden. Da war sie wieder, diese unangenehme Seite von Phyl, die vermuten ließ, dass sie eine anstrengende Schwiegertochter und wahrscheinlich keine allzu gute Ehefrau sein würde. Mrs Spring fand Hetty zwar auch anstrengend, aber eine Lügnerin war sie nicht. Wenn Hetty behauptete, dass Phyl sie absichtlich gestoßen hatte, damit sie Wein auf ihr Kleid verschüttete, dann stimmte das auch. Sooft Mrs Spring ihre Nichte auch kritisierte, sie vertraute ihr.
    (Tatsächlich war Hetty eine ausgezeichnete Lügnerin; wäre sie es nicht gewesen, sie hätte ihr geheimes Leben aufgeben und ganz zu einer Spring werden müssen. Aber sie log nie ohne Grund und nie aus Bosheit. Und in diesem Fall sagte sie die Wahrheit.)
    Die traurige Wahrheit ist (dachte Mrs Spring), dass ich Phyl einfach nicht mag – auch wenn sie in noch so vieler Hinsicht gut zu Victor passt. Ach ja, warum können Mädchen nicht wie Männer sein? Mit meinem armen Harry (ihrem Gatten) hatte ich nie Probleme, und Victor ist genauso. Die Leute können sagen, was sie wollen, aber Männer sind einfach viel netter als Frauen. Da hab ich nun Hetty und Phyl, beide auf ihre Art ziemlich anstrengend, obwohl sie mir doch eigentlich ein Trost und eine Stütze sein sollten.
    »Wie auch immer, das spielt jetzt keine Rolle …«
    »Allerdings nicht. Wenn’s ein Buch gewesen wäre, dann wäre es anders. Wenn sie mir DIE SIEBEN SÄULEN DER WEISHEIT ruiniert hätte, zum Beispiel.«
    »… dann ziehst du eben das weiße an.«
    »Das müsste erst gereinigt werden.«
    »Ach, Hetty ! Ich hab dir doch gesagt, dass du es Davies geben sollst!«
    »Hab’s vergessen.«
    »Dann eben das blaue. Das ist doch in Ordnung, oder?«
    »Ja, glaub schon. Allerdings ist eine kleine Naht aufgegangen.«
    Mrs Spring öffnete in grimmigem Schweigen Hettys Kleiderschrank und nahm das Kleid am Bügel heraus.
    »Wo? Zeig’s mir.«
    Hetty deutete auf eine Stelle unter einem Ärmel, wo tatsächlich eine Naht aufgegangen war.
    Mrs Spring schüttelte den Kopf. »Nein, das wird nur noch weiter aufreißen, das kannst du nicht mehr anziehen. Du kannst es Davies schenken.«
    »Ehrlich? Das ist ja toll! Sie braucht sowieso ein neues Kleid; sie will nächste Woche mit Heyrick zum Tanzen ins Kurhotel.«
    »Ach ja?«, fragte Mrs Spring interessiert. Als gute Hausherrin interessierte sie sich immer für ihr Personal. Sie warf einen Blick über die Schulter, während sie die Kleider durchging. »Glaubst du, dass sie ihn heiraten wird?«
    »Ach nein, so weit würde ich nicht gehen. Sie betont mir gegenüber immer, dass sie nicht mit ihm geht.«
    »Das da … wie wär’s damit?« Mrs Spring holte ein lachsrosafarbenes Kleid heraus. »Hat sie denn jemanden, mit dem sie geht?«
    »Nein. Sie sagt, sie will sich noch umsehen. Sie hat Heyrick, einen Polizisten und den neuen jungen Postboten.«
    »Den rothaarigen? Hetty, das hier ginge. Zieh’s kurz an, damit wir sehen, wie es dir steht. Ich glaube, das wird sich gut machen, wenn es gebügelt ist.«
    Hetty zog lustlos ihr Kleid aus und kämpfte sich in das lachsrosa Rüschen-Ungetüm.
    »Steh gerade, Kind, und mach nicht ein Gesicht, als würdest du zu einer Beerdigung gehen. Freust du dich denn nicht auf den Ball?«
    Hetty schüttelte den Kopf. Sie ließ Arme und Schultern hängen und sah aus wie das Elend in Person.
    »Wieso denn nicht?«
    »Ach, ich hab einfach keine Lust. Und ich mag Bunny Andrews nicht.«
    »Unsinn. Er ist doch ein netter Junge. Das ist wieder mal typisch! Er ist einer der nettesten Burschen in der Gegend, und du interessierst dich nicht für ihn. Ich weiß wirklich nicht, wieso nicht. Du würdest wohl lieber zu Hause bleiben und dich mit einem Buch in einer Ecke verkriechen.«
    »Du hast’s erfasst.«
    »Hetty, du bist das undankbarste, unzufriedenste Mädchen, das mir je untergekommen ist! Und egoistisch obendrein! Denkst du denn nie an

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