Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
Vom Netzwerk:
wieder ans Werk.
    Als die Blumenbeete frei von Pflanzenresten waren, gab mir Dad den Schlüssel zu dem Schuppen hinter dem Womo, um den Handpflug zu holen.
    »Du machst eins, und ich mach eins«, sagte er und deutete auf die Beete. »Ich will dich nicht überstrapazieren.«
    »Nein, ich mach beide.«
    Gern hätte ich die Hilfe in Anspruch genommen, zumal ich schon fix und fertig war. Einzig die Genugtuung gönnte ich Dad nicht.
    So oder so aber hatte ich verloren. Der Alte wirkte äußerst selbstzufrieden und sah mir mit herablassendem Grinsen zu, wie ich das zweite Blumenbeet bearbeitete.

MILFORD | 28. JUNI 1979
    Ich wachte auf, weil Jerry mich rüttelte.
    »Mitch.«
    »Was?« Der Lichtkegel der Tischlampe schien mir in die Augen und schnitt eine trübe Schneise durch die Dunkelheit des Wohnmobils.
    »Da, nimm!«
    Er drückte mir einen zusammengefalteten Zettel in die Hand. »Lass Dad das nicht sehen.«
    Ich griff mir das Papier und schlief wieder ein.
    »Scheißkerl.«
    Dad stand am Tisch.
    »So ein Arsch! Ein verdammtes, nichtsnutziges Arschloch.«
    »Was?«, fragte ich.
    »Dein Bruder. Er ist weg.«
    Ich versuchte, den Schlaf abzuschütteln.
    »Was ist denn los?«, fragte ich.
    »Lies selbst.«
    Dad legte ein Blatt Papier auf den Tisch und ging ins Bad, wobei er meinen Bruder die ganze Zeit verwünschte.
    Ich hob es auf.
    Dad –
    ich weiß nicht, warum Du das getan hast. Aber mir reicht es jetzt.
    Ich bin weg.
    Ich habe versucht, über alles hinwegzusehen, habe versucht, das zu tun, was richtig ist, aber jetzt kann ich nicht länger. Du hast mich geschlagen, und Du hast Mitch Angst eingejagt. Für ihn kann ich nichts tun, aber für mich.
    Hoffentlich war sie es wert.
    Jerry
    Die Schlaftrunkenheit legte sich, und mir fiel wieder ein, dass Jerry mir etwas gegeben hatte. Ich fischte den zusammen geknüllten Zettel aus dem Knäuel von Decken. Als ich ihn auseinanderfaltete, fielen drei Zwanzigdollarscheine heraus.
    Mitch –
    ich muss weg. Nach gestern Nacht kann ich unmöglich bleiben.
    Ich mache mir Sorgen um Dich, aber du bist noch ein Kind.
    Ich glaube nicht, dass er Dir was antut.
    Falls doch, rufst Du Mom an. Sofort. Sie bezahlt dir ein Flug ticket, und mit diesem Geld kommst du bis Cedar City.
    Dads Telefonkarte hat die Nummer 40655287679829.
    Benutze sie, so oft Du sie brauchst.
    Gib dieses Geld nicht für Süßigkeiten und anderen Scheiß aus.
    Behalte es. Gib es nur aus, wenn es sein muss.
    Lass Dad dies nicht sehen. Lass ihn nicht wissen, dass Du dieses Geld hast.
    Duck Dich und tu, was er sagt.
    Jerry
    Ich steckte den Brief mit dem Geld in meine Gesäßtasche, bis ich ein besseres Versteck gefunden hätte.
    Als Dad zurückkehrte, sagte er: »Gehen wir. Wir finden ihn schon.«
    »Wo ist das Mädchen?«, fragte ich.
    »Was für ein Mädchen?«
    »Von gestern Nacht.«
    »Keine Sorge, die findet schon den Weg hinaus.«
    In Jerrys Unterkunft fanden wir nur Toby, der in seiner Arbeitskluft in der Küche hockte und eine Tasse Kaffee trank.
    »Er hat mich gegen drei Uhr aufgeweckt, Jim. Er hat gesagt, er geht weg.«
    Dad stolzierte in Jerry Zimmer herum, riss leere Schubladen auf, durchwühlte Zeitungen und Zeitschriften.
    »Er hat alles mitgenommen«, sagte Toby. Er stand im Türrahmen. »Er hat nicht einen Ton gesagt, wo zum Teufel er hinwollte?«, fragte Dad.
    »Mir nicht.«
    »Bestimmt hat er es dem Mädchen gesagt«, meinte Dad. Dann sah er auf die Uhr. Es war nach sechs Uhr morgens, und wir waren spät dran.
    »Ich rede später mit ihr. Wir müssen zur Arbeit. Ihr steigt in den Laster.«
    Mir fiel schmerzlich auf, dass sich die Dinge genau so entwickelten, wie Jerry es vorausgesagt hatte. Dad hatte wieder einen Arbeiter verjagt, und jetzt passte es ihm in den Kram, dass ich den Pick-up steuern konnte.
    »Es sind nur noch ein paar Tage bis zu den Betriebsferien«, sagte Dad auf der Rückfahrt. »Ich habe keine Zeit, einen neuen Handlanger zu suchen. Toby, du rückst auf. Mitch, du kannst den Pick-up fahren und das Schaufeln übernehmen. Wir schaukeln das schon.«
    Toby und ich nickten, blieben aber sonst stumm.
    Ein paar Minuten verstrichen.
    »Er kommt wieder zurück«, sagte Dad.
    Nichts, was Toby oder ich machten, war richtig – und um fair zu sein, ohne Jerry war unsere Crew nicht halb so tüchtig wie vorher. Toby, der nie Vorarbeiter gewesen war, bewegte sich langsam,konnte nicht richtig mit dem Rohr umgehen, arbeitete nicht Hand in Hand mit Dad wie Jerry.
    Ich war noch schlimmer. Ich war nicht

Weitere Kostenlose Bücher