Der Sommersohn: Roman
stark genug, zwei Kisten Sprengstoff auf einmal zu tragen, wie Toby das schaffte. Und wenn er versuchte, mir beizuspringen, ließ er Dad hängen. Auch konnte ich nicht schnell genug die aufgewühlte Erde aus der Grube schaufeln. Für das gemeinsame Schaufeln mit Toby hatte ich Anerkennung für meine Mühe bekommen, da ich ihn entlastete. Als einziger Schaufler enttäuschte ich. Dad sprang ständig von seinem Sitz herunter, um mich zur Eile anzutreiben. Er verfluchte mich und sein Pech, dass er zwei so unfähige Arbeiter hätte.
Toby und mir wurde an jenem ersten Tag ohne Jerry tüchtig eingeheizt, und nachdem wir vier Löcher in der Zeit gegraben hatten, in der wir sonst sechs oder sieben gruben, verkündete Dad in einer mit Kraftausdrücken gespickten Tirade, wir würden »den Scheißladen für heute dichtmachen«.
Der Einzige, der während der Rückfahrt sprach, war Dad, und er unterbrach lange Perioden des Schweigens mit einer Mischung aus Ankündigungen, Einschüchterungen und Klagen.
»Wenn dieser Arsch zurückkommt, wird er sich aber wundern, denn ich lass ihn nicht mehr in die Crew.«
Schweigen.
»Ihr beide arbeitet morgen aber verdammt besser als heute, oder ich werde hier mal andere Saiten aufziehen.«
Schweigen.
»Zweieinhalb Tage bis zum Urlaub. Lachhaft.«
Schweigen.
»Ich hätte ihn hochkantig rausschmeißen sollen, bevor er abhauen konnte. Nichtsnutz.«
Schweigen.
»Mitch, Zeit, ein großer Junge zu sein. Ich will keinen Scheiß darüber hören, was du nicht tun kannst. Du musst anfangen, was zu tun.«
Schweigen.
»Mein Gott. Warum jetzt?«
Dad setzte Toby ab und verlangte die Adresse von Denise. Toby wollte offensichtlich nichts verraten, schien sich über die Konsequenzen aber im Klaren, falls er Nein sagte. Er rückte sie heraus.
Mit qualmenden Reifen fuhr Dad hin.
»Bleib im Truck«, sagte er.
Er stieg aus und ging zur Haustür, wobei er mit seinen bohrschlammverdreckten Stiefeln den Schotter der Auffahrt auffliegen ließ.
Denise öffnete und wirkte nicht allzu erfreut über den Besucher auf ihrer Türschwelle.
Dad sprach als Erster, und Denise schüttelte immerzu nur heftig den Kopf. Dann aber legte sie los, mit blitzenden Augen, und fuchtelte mit dem linken Zeigefinger vor seiner Nase herum.
Ich beugte mich zur Beifahrertür hinüber und kurbelte langsam das Fenster herunter, da ich hoffte, ein paar Worte aufschnappen zu können. Ich hielt den Blick geradeaus gerichtet; Dad hatte sich zum Truck umgesehen, und er sollte nicht merken, dass ich lauschte.
»Beruhige dich, Kleine. Ich frage ja nur, ob du weißt, wohin er gegangen ist.«
»Nein, nein, ich weiß es nicht«, sagte Denise. »Er wollte es mir nicht sagen. Er wusste, dass Sie hierherkommen würden. Er wollte nicht, dass Sie es erfahren.«
»Na schön, dann sag mir Bescheid, wenn er dich anruft.«
»Keine Chance. Ich würde es Ihnen nie sagen.«
Dad kam zum Pick-up zurück. Ich kurbelte das Fenster hoch.
»Hast wohl gelauscht, was?«, sagte er, als er die Tür öffnete.
»Es war zu heiß hier drin.«
»Wie du meinst, Mitch.« Dad grinste mich hämisch an.
Wir waren bereits zurück im Wohnmobil, bevor er wieder redete.
»Sie weiß nicht, wo er ist. Dann scheiß eben auf ihn.«
Nach dem Essen verdrückte ich mich und fand eine Telefonzelle. Es gab keinen Grund für Heimlichtuerei. Beim Essen hatte Dadnicht mit mir gesprochen. Er hatte seinen eigenen Gedanken und seinem Groll nachgehangen, und ich war nur Teil der Kulisse.
»Hallo?«
»Hi, Mom.«
»Hi, mein Prinz.« Es war tröstlich, den Kosenamen aus ihrem Mund zu hören, den ich normalerweise nicht ausstehen konnte. »Wie gehts?«
»Prima.«
»Wie gehts Jerry? Wie gehts Dad?«
»Jerry gehts gut, glaube ich. Dad ist okay.«
»Ist Jerry da? Kann ich mit ihm reden, wenn wir beide fertig sind?«
»Jerry ist weg.«
»Wie meinst du das?«
»Jerry hat gekündigt und ist weg.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht.«
»Warum hätte er das tun sollen?«
»Ich glaube, er hat nicht gern für Dad gearbeitet.«
»Ist dein Vater bei dir?«
»Nein. Ich bin in einer Telefonzelle.«
»Das ergibt doch gar keinen Sinn. Wo ist Jerry denn hin?«
»Keine Ahnung. Er ist einfach weg.«
»Und es gab dafür gar keinen Grund?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Ich versteh das alles nicht.«
Das Gespräch zog sich noch ein paar Minuten auf ähnliche Weise hin, wobei Mom verwirrt war über das, was in Milford ablief, sich um Jerry sorgte und um mich, der sich dumm stellte.
Weitere Kostenlose Bücher