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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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drin.«
    Sie schlug das erste auf. Ich hatte die erste Seite frei gelassen bis ganz zuletzt, für die Worte, die ich mir aufgehoben hatte, bis ich im Flugzeug auf dem Weg nach Hause war.
    Cindy, mein Schatz,
    Du hattest recht. Von Anfang an. Ich habe es verarbeitet und jetzt damit abgeschlossen. Keine Geheimnisse mehr.
    Ich liebe Dich.
    Mitch

MILFORD | 11. – 12. JULI 1979
    Donnergrollen und ein Blitz weckten mich auf. Der Schleier verzog sich aus meinen Augenwinkeln und zeigte eine Welt, die in nächtliches Grau gehüllt war. Das Flurlicht kämpfte gegen die Dunkelheit an, doch ohne viel Erfolg. Ich lag auf dem Sofa, schwamm durch den Nebel in meinem Hirn und versuchte zu ergründen, wo ich war.
    Als ich mich aufsetzte, schoss mir das Blut in den Kopf. Ich musste mich am Tisch festhalten, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Als ich mich endlich aufzusehen traute, bemerkte ich, dass sie mich anstarrte. Tobys Freundin.
    »Was machst du denn hier?«, fragte ich.
    »Dein Dad hat mich gebeten, mich eine Weile um dich zu kümmern.«
    »Warum?«
    »Hat er nicht gesagt.«
    Mein Atem ging wieder gleichmäßig, und in meinem Schädel wurde es klarer. Langsam hob ich den Kopf und versuchte, mich zu orientieren. Ich starrte angestrengt in das Dämmerlicht und versuchte, die Uhr über dem Herd zu lesen. 11:12. Wo waren die Stunden geblieben? Und was machte ich hier?
    »Bist du okay?«, fragte meine Aufpasserin.
    »Nein.«
    Sonst sagte sie nichts. Der Regen prasselte auf das Wohnmobil.
    »Wie heißt du?«, fragte ich sie.
    »Teresa«, sagte sie.
    »Was machst du hier?«
    »Das hab ich dir doch gesagt.«
    Sie hatte mir aber nicht geantwortet. Ich ignorierte das und kam zur wichtigsten Frage, die ich schon zu oft gestellt hatte.
    »Wo ist Dad?«
    »Weiß ich nicht genau. Weg.«
    »Wo sind Toby und Brad?«
    Sie sah weg.
    »Sie sind bei ihm.«
    Ich riss mich zusammen und stand auf. Mein Kopf schmerzte schon bei dieser geringen körperlichen Anstrengung, und meine Beine wurden wie Gummi. Ich tappte im Wohnmobil herum und versuchte, meinen Kopf frei zu bekommen.
    »Wie lange hab ich geschlafen?«
    »Lange«, sagte Teresa.
    Ich versuchte, den Tag zu rekonstruieren. Mir fehlte ein verdammt großes Stück. Brad und ich waren nachmittags ins Haus zurückgekehrt. Ich erinnerte mich, dass ich ein Bier getrunken hatte, dann noch eins. Danach verschwamm alles schnell.
    Das mit dem Bier machte mir Angst. Sollte ich Teresa fragen, was Dad wusste? Ich überlegte, was sie wusste. Falls mein unerlaubtes Trinken schon bekannt war, wäre es von Vorteil, wenn ich das wüsste. Wenn ich mich verplapperte, könnte das ganz schlimm für mich werden.
    »Weiß Dad, dass ich getrunken habe?«
    Sie sah vom Boden weg wieder auf mich.
    »Ich glaube ja.«
    »Ist er böse?«
    Die Pause zwischen Frage und Antwort schien unendlich. »Mitch, ich hab wirklich keine Ahnung.«
    Ich rannte ins Bad und erbrach meinen Mageninhalt in dieToilette. Auf wackeligen Beinen kehrte ich zum Sofa zurück, und der Schlaf übermannte mich erneut.
    Meine Augen flackerten auf. Dads Gesicht grüßte meins. Er saß in einem Sessel und schwebte von der Sofakante aus über mir. Er sah mich forschend an. Er verströmte den Geruch von Dreck, Schweiß und Fusel.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich.
    Er hielt meinen Blick, aber er antwortete nicht.
    »Wo bist du gewesen?«
    »Weg«, sagte er.
    »Wo?«
    »Hier und da.« Jedes Wort wehte mir eine Alkoholfahne ins Gesicht.
    »Warum hast du mich hier bei dem Mädchen gelassen?«
    »Du hast geschlafen.«
    »Na und?«
    »Du hast geschlafen«, sagte er wieder.
    »Ich hab die Nase voll«, sagte ich.
    »Wovon?«
    »Von allem. Hab die Nase voll von dir. Warum lässt du mich immer allein?«
    Dad starrte mich unverwandt an. Endlich sprach er.
    »Mitch, ich glaube, es ist Zeit, dass du nach Washington zurückkehrst.«
    Mein Herz spaltete sich in zwei unvollkommene Stücke. Ich versuchte, meine Verletzung so tief runterzuschlucken, dass er sie nicht bemerkte.
    »Warum?«
    »Es ist Zeit. Zu Hause bist du besser aufgehoben.«
    »Ist es, weil ich Bier getrunken habe?« Meine Stimme war schrill geworden.
    »Nein.«
    »Warum dann?«
    »Es ist Zeit.«
    »Was soll das heißen?« Er antwortete nicht. Tränen zeichneten Spuren in mein Gesicht.
    »Geh duschen und zieh dich um«, sagte er leise. »Ich packe deine Siebensachen. Wir fahren heute Abend nach Salt Lake, und du nimmst das erste Flugzeug.«
    Ich rührte mich nicht vom Fleck.
    »Schick mich nicht weg, Dad. Ich

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