Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde
schwarzgelben Wegweiser nach Neukirchen, Langenschwarz, Hünfeld.
So stand ich drei, vier Minuten auf dem Platz, bereit, die ganze Welt zu umarmen, meine Freude zu zeigen und zu teilen, bereit, mich in jede Richtung zu wenden außer zurück zum Haus, aus dem ich gelaufen war, jede Richtung, aus der ein Mensch näher kommend mich und meine Gefühle begreifen könnte, und endlich taumelten aus Sennings Gastwirtschaft drei Männer auf die Straße, in denen ich trotz der Sonntagsanzüge drei Spieler des F.C. Wehrda erkannte, und liefen, Kuhfladen und Schlaglöchern ausweichend, an der Post vorbei, auf den Kirchplatz zu, wie ich es gewünscht hatte, mir entgegen, und nach ihnen tauchten, bald aus der einen, bald aus der anderen Richtung die Freunde Herwig, Horst, Gerhard, Helmut und Wolfgang auf, und als wir uns, wie blöde geworden, Wortbrocken wie «Weltmeister!» und «Deutschland!» und «Dreizuzwei!» zuriefen, mit dem Geschrei die Spatzen aufscheuchten und, von der ungewohnten Wucht der Worte mitgerissen, aus den genormten Sonntagsbewegungen kippten und lachten und johlten, war ich, ohne es zu begreifen, der Glücklichste von allen, glücklicher vielleicht als Werner Liebrich oder Fritz Walter.
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Über Friedrich Christian Delius
Friedrich Christian Delius, geboren 1943 in Rom, in Hessen aufgewachsen, lebt heute in Berlin und Rom. Mit zeitkritischen Romanen und Erzählungen, aber auch als Lyriker wurde Delius zu einem der wichtigsten deutschen Gegenwartsautoren. Bereits vielfach ausgezeichnet, erhielt Delius zuletzt den Walter-Hasenclever-Literaturpreis, den Fontane-Preis, den Joseph-Breitbach-Preis sowie den Georg-Büchner-Preis 2011.
Mehr unter www.fcdelius.de
Weitere Veröffentlichungen:
Kerbholz
Ein Held der inneren Sicherheit
Himmelfahrt eines Staatsfeindes
Selbstporträt mit Luftbrücke
Amerikahaus und der Tanz um die Frauen
Deutscher Herbst
Die Birnen von Ribbeck
Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde
Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus
Die Flatterzunge
Der Königsmacher
Warum ich schon immer Recht hatte – und andere Irrtümer
Die Minute mit Paul McCartney
Bildnis der Mutter als junge Frau
Mein Jahr als Mörder
Die Frau, für die ich den Computer erfand
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Über dieses Buch
Bern im Sommer 1954. Deutschland steht im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft gegen Ungarn. Im Rundfunk dröhnt die legendäre Reportage Herbert Zimmermanns. In einem kleinen hessischen Dorf erlebt ein elfjähriger Pfarrerssohn den Sonntag, der sein Leben verändern wird.
«Delius ist mit dieser Erzählung ein Meisterwerk gelungen. Sie sollte wenigstens so viele Leser finden, wie ein Fußballstadion Zuschauer fasst.» (Hessischer Rundfunk)
«Witzig zelebriert Delius das Fußballspiel wie einen lästerlichen Gottesdienst, der den Jungen zugleich berauscht und verstört, die Leser jedoch nur widerstandslos hinreißen kann.» (FAZ)
«Delius´ schönstes, poetischstes Buch über den Tag, an dem wir alle Weltmeister wurden.»
(Elke Heidenreich)
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Impressum
Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2012
Copyright © 1994 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages
Umschlaggestaltung any.way, Cathrin Günther
(Fotos: «Fritz Walter» ullstein bild und Privatfoto des Autors)
Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.
ISBN Buchausgabe 978-3-499-23659-4 (9. Auflage 2011)
ISBN Digitalbuch 978-3-644-01841-9
www.rowohlt-digitalbuch.de
ISBN 978-3-644-01841-9
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