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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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verhört, die sie irgendwie gekannt hatten, haben aber nicht einmal jemanden gefunden, den wir hätten verdächtigen können. Der Fall wurde nie gelöst.«
    »Und weshalb musstest du ausgerechnet jetzt an sie denken?«
    Er versuchte zu lächeln und verzog dabei das Gesicht.
    »Vielleicht weil es sich um ein weiteres Versagen meinerseits handelt.«
     
    John Rosén erhob sich und öffnete die Tür, als Elina anklopfte. Er war der einzige im Präsidium, der nie »Herein« rief, wenn ihn jemand in seinem Büro aufsuchte. Er rückte sogar den Stuhl für Elina zurecht. Roséns Höflichkeit war bei allen Angestellten des Präsidiums bekannt und hoch geschätzt.
    »Wie geht es ihm?«
    »Besser. Jedenfalls physisch. Aber er wirkt niedergeschlagen.«
    »Vermutlich ist niemandem nach Lachen zumute, wenn er so brutal an die Endlichkeit des Lebens erinnert wird.«
    »Wir haben uns recht lange unterhalten. Er erzählte sogar von einer alten Mordsache.«
    »Fehlt ihm die Arbeit?«
    »Ich glaube schon. Als er letzten Winter aufhörte, hat er sich darauf gefreut, endlich Zeit für sich zu haben. Das behauptete er zumindest. Aber du weißt ja, wie Kärnlund ist. Er ist durch und durch Polizist. Mit der Arbeit verschwanden auch die Kollegen. Vermutlich war das recht einsam.«
    »Über welchen Fall hat er gesprochen?«
    »Über den Mord an einer gewissen Ylva Malmberg. Eine junge Frau. Ich hatte noch nie von der Sache gehört, aber der Fall liegt auch recht lange zurück, vor meiner Zeit. Offenbar wurde der Mörder nie gefunden. Ich dachte … ich schaue mir die Sache mal an.«
    John Rosén lächelte. »Um Kärnlund aufzumuntern?«
    »Ja, warum nicht? Die Frau wohnte hier in der Stadt, aber die Tat geschah in Norrbotten. Wo liegen denn die Akten?«
    »Wenn niemand mehr an dem Fall arbeitet, dann liegen sie vermutlich im Archiv. Hast du Norrbotten gesagt?«
    Er drehte sich um und zog ein Verzeichnis aus dem Bücherregal.
    »Die Akten müssten in Piteå sein. Die Polizei dort verwaltet das Archiv der gesamten Provinz. Schreib dir die Telefonnummer doch einfach auf.«
    Elina nahm sich einen Kugelschreiber vom Tisch. »Danke«, sagte sie und erhob sich.
    »Elina«, meinte Rosén. »Das ist wirklich nett von dir, Kärnlund auf andere Gedanken bringen zu wollen. Aber sieh zu, dass du das nicht während der regulären Arbeitszeit tust. Das ist nicht unser Fall, und du kennst unsere Anweisungen. Wenn wir nicht gerade in einer Mordsache ermitteln, müssen wir uns genau wie alle anderen um die Routineangelegenheiten kümmern.«
    »Nichts könnte mich davon abhalten, mich mit ganzer Seele den Einbrüchen und Körperverletzungen, die sich auf meinem Schreibtisch türmen, zu widmen«, erwiderte Elina.
    »Vergiss es nur nicht«, erwiderte Rosén.
    Vorsichtig machte sie die Tür hinter sich zu. Das war nicht nur ein beiläufiger Hinweis, dachte sie. Sie war drauf und dran, noch einmal umzukehren, um ihn zu fragen, was er eigentlich damit gemeint hatte, besann sich dann aber eines Besseren. Im Grunde wollte sie es gar nicht wissen.

5. KAPITEL
    »Ein Paket für dich. Beim Hausmeister.«
    Es dauerte nur zwei Tage, bis die Ermittlungsakten aus Piteå eintrafen. Sie waren sorgfältig in einen Karton verpackt, der Elina, als sie ihn das erste Mal anhob, zehn Kilo schwer zu sein schien, und fast doppelt so schwer, als sie ihn in ihr Büro trug. Sie schob die Papiere auf ihrem Schreibtisch mit einer Hand beiseite und ließ das Paket fallen. Mit einem Brieföffner schlitzte sie das Klebeband auf und öffnete den Karton. Obenauf lag ein Brief, den ein Kriminalkommissar aus Piteå unterzeichnet hatte:
     
    »Beschlagnahmte Gegenstände vom Tatort, d.h. Briefe, persönliche Gegenstände etc. liegen weiterhin bei der Polizeibehörde in Piteå. Sichergestelltes humanbiologisches Material befindet sich im Staatlichen Kriminaltechnischen Labor in Linköping. Die Fotos liegen dieser Sendung bei.«
     
    Wie eine Mitteilung aus dem Weltall, dachte Elina. Sie blätterte die Papierstapel durch und überschlug rasch: etwa 3000 Seiten.
    Mehr als eine unwesentliche Freizeitbeschäftigung, dachte sie und schaute auf die Uhr. Es war zehn. Um eins musste sie eine Frau vernehmen, die ihren Mann zum dritten Mal wegen Misshandlung angezeigt hatte. Vorher musste sie die Akte dazu ansehen. Sie lag in der Dokumentenablage auf ihrem Schreibtisch. Sie schaute wieder auf die Uhr. Der Stapel aus Piteå war interessanter. Zum ersten Mal seit dem Winter empfand sie einer Aufgabe

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