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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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mit dem Wetter in Wechselbeziehung bringen kann, schickte ich meine Gebete, daß ich betrogen werden möge, vergeblich gen Himmel. Ich betete und weinte und probierte es auf diese und jene Weise. Ich probierte es mit dem direkten Anstoß:
    (Im Bett, mit Mrs. Marshfield und ihrer Cognac-Fahne.) «Findest du Ned sexuell anziehend?»
    «Mir gefallen seine philosophischen Ansichten.»
    «Und seine Akne?» (Ständig durchkreuzte ich meine eigenen Absichten – ich hätte mir auf die Zunge beißen mögen.)
    «Die stört mich nicht.»
    «Was, glaubst du, treibt er so in Sachen Liebe?»
    «Keine Ahnung. Wir sprechen nie über solche Dinge. Läßt du mich jetzt bitte schlafen? Mir dreht sich alles vor den Augen. Ich fürchte, ich muß mich übergeben.»
    (Nicht davon abzubringen; der Himmelspförtner.) «Warum sprecht ihr nicht darüber? Ich glaube, du tätest es ganz gern. Ist es nicht etwas Unnatürliches, daß ihr’s nicht tut?»
    «Tom, es gibt so viele andere Themen außer dem der Ich-Befriedigung.»
    «Spreche ich etwa über Ich-Befriedigung?» (Sie hatte die Gabe ihres Vaters, mich immer dann aufzuklären, wenn mir am wenigsten daran gelegen war.)
    «Über nichts anderes, in letzter Zeit.»
    «Du meinst, ich hätte mich in letzter Zeit geändert?» (Komm schon, rate mal. Alicias Hintern sitzt auf meinem Kopf wie eine Aureole, schau her. Rate mal. Tu irgend etwas, um mich hier herauszuholen.)
    «Nicht wirklich. Du scheinst ein bißchen weniger wild.»
    «In welcher Beziehung wild? Wann war ich je wild?» (Ich, ich, was, Mimi, machst du aus mir?)
    «Bitte, hör auf, dich ständig herumzuwerfen. Sonst muß ich mich wirklich noch übergeben. Ich wünschte, du ließest mich und Ned nicht immer so lange allein. Es macht uns so nervös, daß wir beide zuviel trinken.»
    «Manches an Ned ist doch sehr schön, findest du nicht? Er hat nicht die Unentschiedenheit unserer Generation.»
    «Dafür hat er seine eigene», murmelte diese zum Wahnsinn reizende Bettgenossin, dies Fleisch von meinem Fleisch.
    «So? Ist es so, daß er dich hochkitzelt, aber unbefriedigt läßt? Willst du es treiben, nur damit die Spannung sich löst?»
    «Ist nicht morgen Sonntag?»
    «Besser noch, heute ist Sonntag. Komm, dreh dich um und erzähl mir von Neds Unentschiedenheit.»
    Ein sanftes Schnarchen zeigt ihren Sieg über Alkohol, Lust, eheliches Gehechel und Zeit an. Sie ist schön in ihrer Selbstvergessenheit. Ich beneide sie. Sie hat den Ausdruck der Gnade, wenn sie nicht gar im Besitz der Gnade ist. Sie ist ein so guter Mensch, daß es mich immer wieder überwältigt. Mein Haß gegen sie, meine Liebe zu ihr treffen sich am Grunde unseres Regenbogens, ein Kreis.
    Und der indirekte Anstoß:
    «Wie kommt dir Jane vor?» Ich begleite Ned über den Hof des Pfarrhauses heim, und um ihm Halt zu geben, fasse ich seinen dicken Oberarm.
    «Reizend wie immer. Très engagée.» Er zieht seinen Arm weg. Er verliert nicht den Halt, wenn er betrunken ist; er übertreibt dann nur sein Internatsgehabe.
    «Und du meinst nicht, daß sie sich hinter ihrer Engagiertheit nur versteckt?»
    «Nicht unbedingt, nein.» Er wittert anstrengende Tiefe, und er hat von mir den hassenswerten Trick abgeguckt, im Angesicht des Mysteriösen den Clown zu spielen. «Was», fragt er, «meint mein hochwürdiger Superior?»
    «Ich weiß es selbst nicht.» Und das stimmt. Ein geborener Agnostiker, durch einen Baseballvereins-Vater zur Rechtshändigkeit bekehrt. «Ich mache mir Sorgen um Jane.» Das ist nicht einmal gelogen. «Sie ist nicht glücklich.» Ist das wahr? Ist sie je glücklich gewesen, seit ihr Vater sich nicht mehr unter ihrem Körper räuspert? «Es fehlt ihr», sage ich, den Sprung wagend, «die Erfüllung – wenn du das Wort ausstehen kannst.»
    «Hier stehe ich! Ich kann nicht anders.» (Er ist betrunkener, als ich geglaubt hatte, und reichlich albern: was für ungare Anfänger die Seminare uns schicken, seit das Grenzland trockengelegt ist.)
    Ich versuchte es mit einer Lektion in praktischer Nächstenliebe. «Pastorenfrau zu sein, ist merkwürdig isolierend; man ist immer nett zu den Leuten, weil es sich so gehört, und verlernt, etwas dabei zu fühlen. Jetzt, seit unsere Jungens von zu Hause fortstreben, bist du anscheinend die einzige Person, mit der Jane sich gern unterhält.»
    «Und du, natürlich.»
    (Ich lache so betont bitter, wie ich kann, mit einem Schuß ätzender Säure.) «Mach keine Witze. Du hast doch bestimmt gemerkt, wie wenig Kommunikation es

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