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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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daß ich einen Schritt näher an das Bett herantreten mußte, damit sie nicht vornüber fiel. Vorsichtig, bitte, nicht weinen, Feuchtigkeit ist verräterisch, und Körpergeruch haftet. «Es ist wirklich seltsam», sagte ich mit einer Verbeugung vor dem verblichenen Professor Chillingworth, «daß sich gut fühlen und gut sein nicht das gleiche zu sein scheinen.»
    Sie schnupperte warm an meiner Hemdbrust. «Bist du dir da sicher?»
    «Du möchtest, daß ich Jane verlasse und das Amt aufgebe? Denn das eine geht nicht ohne das andere. Und meine Kinder. Und mein lebenslängliches Abonnement auf Leckerbissen für den Kanzelredner.»
    Sie lachte unter Tränen, schniefend. Ich fürchtete einen plötzlichen Ausstoß von Schleim und schob ihr Gesicht von meiner Brust. Alicia blickte auf. «Ist es wirklich so unmöglich?» fragte sie, versuchte mein Gesicht noch einen Engelsflügelschlag länger zu erforschen und antwortete dann: «Ja, das ist es.» Ihre Brille lag zerbrechlich auf dem Seitentischchen. Ich spürte, wie sie erwog, nach ihr zu greifen und sie aufzusetzen, um mich besser sehen zu können, und sich dann statt dessen entschloß, meine Hüften fester zu umklammern.
    Ich mußte sie abwehren oder mich ergeben. «Warum willst du mich», fragte ich, «auf die andere Weise, wo du mich doch auf diese hast?»
    «Auf diese Weise könnte ich jeden haben.»
    «Na, bitte. Nur zu. Du hast doch schon jede Menge andere gehabt – deine Musiktypen und wer weiß, wen sonst noch, den Erzieher vom Spielplatz, den Kerl von dem Öltankwagen – mach doch weiter so.»
    «Okay, mach ich», sagte Alicia, die an meinem Gürtel schnupperte und leckte.
    «Was sollte ich denn tun, wenn ich mein Amt aufgebe? Es ist mein Leben. Es ist mein Nachleben.»
    «Werde Gigolo oder Privatdetektiv. Hauptsache, du hörst auf, dein eigener Gefangener zu sein.»
    «Ich arbeite darauf hin», sagte ich. «Meist nachts. Ich kann nicht schlafen.»
    «Das ist immerhin etwas», gab sie zu und ließ die Arme fallen, um mich freizulassen.
    Jetzt konnte ich sie nicht lassen; sie war ein anhaftendes Bündel aus ineinander übergehenden Rundungen und Drehpunkten, frisch gefickt, im kahlen späten Licht ihres schrägen Mansardenzimmers, auf dem verwühlten Sonnendurchbruch ihrer Steppdecke, deren Muster mir, wenn wir genug Wein getrunken hatten, wie eine Kaskade von Orgeltönen vorkam. «Es ist schwer», sagte ich zu ihr.
    «Das ist es», sagte sie, die weiche Mitte meiner neuen Welt.
    Zu Jane sagte ich: «Hast du dir irgendwann einmal gewünscht, ein Verhältnis zu haben?»
    Wir lagen, sie mit dem Rücken zu mir, im Bett. «Du nimmst also an, ich hätte nie daran gedacht?»
    «Ja, das tue ich wohl.»
    «Und wieso?»
    «Weil du die Frau eines Pastors bist.»
    «Was bringt dich eigentlich darauf?»
    «Oh, nichts weiter. Das mittlere Alter. Angst. Mir ist klargeworden, daß ich im Grunde nie genug an dich gedacht habe. Was du möchtest. Was du fühlst. Was ist übrigens aus all den Freunden von dir geworden?»
    «So viele hatte ich gar nicht.»
    «Na, wie die Anatomie funktioniert, darüber wußtest du jedenfalls Bescheid, ehe ich aufkreuzte.»
    «Das war purer Instinkt, Tom. Sei doch nicht so eifersüchtig.»
    «Ich bin ein eifersüchtiger Gott. Ich begehre meines Nächsten Weib – den Hintern der Frau meines Nachbarn.»
    «Welches Nachbarn? Du meinst doch nicht diese neurotische Harlow?»
    «Ich liebe ihre Schleier.» Wenn ich auf Mrs. Harlow in der dritten Bankreihe, in der sie immer saß, hinabsah, mußte ich an Imker (Bienenhalter!), Vorhänge vor Harems und an Trauernde denken. Wie ultramontan meine Theologie dir auch vorkommen mag (stumme verschleierte Leserin dort draußen), in liturgischen Dingen neige ich, träge der irdischen Schwerkraft nachgebend, zum Niederen; die Kirche ist, obwohl ich mir mit Schleppe gut gefalle, kein Kostümball. Jane schien mit all meinen kostbaren Fragen in ihren Taschen in den Schlaf abzudriften. «Also, hast du schon mal?»
    «Was?»
    «Andere Männer begehrt?»
    «Oh, ich glaube schon.»
    «Du glaubst es also.»
    «Es ist zu albern, darüber zu reden. Sicher würde es in einer anderen Welt Spaß machen, mit jedem ins Bett zu gehen und zu sehen, wie es ist.»
    «In einer anderen Welt … Dein Offenbarungsglaube rührt mich.» Ich war tatsächlich gerührt. «Na, mit wem würdest du denn beginnen? Von den Männern, die wir kennen.»
    «Mit dir?»
    «Komm, komm. Du weißt, daß ich dich nicht befriedige.» Ich habe in Platons

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