Der Sonntagsmonat
Sonderlinge herauslotste, von dem ihr bestimmten Weg abgebracht hatte. Hier wurde ihr jetzt die Chance geboten, ihn wieder zu beschreiten und aus dem betäubenden Albtraum der Ehe mit mir zu erwachen. Ich spielte auch in meiner liebestollen Verücktheit nicht mit dem Gedanken, daß sie und Ned etwa heirateten, aber vielleicht würden sie lange genug aneinander festhalten, daß ich mit nur einem großen Armvoll Schuld zur Tür hinausschlüpfen konnte.
Drittens mochten sie einander. Sie waren beide von der gleichen milchigen Menschenfreundlichkeit, hatten beide die gleiche widersinnige Auffassung von der Kirche als Anhängsel der Religionswissenschaft und der Sozialfürsorge, die gleichen erbitternden politischen Anschauungen, einen aufgewärmten, sich auf selbstgefälliges Gejammer beschränkenden McGovernismus: nie, auch wenn ihre Köpfe noch so gewichtig nickten, kamen sie auf die Idee, sich selbst als zwei üppig schwellende Blüten an einem von Kapital und Bullen aufrechterhaltenen Stengel zu sehen. Natürlich mußte Jane das Gefühl gehabt haben, daß in Ned ihre ehemaligen Freier zu ihr zurückkehrten. Und er, so rechnete ich mir aus, mußte in ihr eine Frau sehen, die im Gegensatz zu den unersättlichen Partnerinnen, die ihn bisher von der Ehe abgeschreckt haben mochten, genug Großmut und Klugheit besaß, nach außen hin den Anschein zu erwecken, daß sie sich unterordnete. Meine Erfahrungen mit den Mädchen von Neds Generation waren (zu diesem Zeitpunkt) rein akademisch, aber ich las oft genug in den glaubenstützenden Informationsblättern und Vierteljahresschriften, die durch den Briefkastenschlitz eines Geistlichen strömen wie Urin aus der Vulva einer Kuh, daß sie (diese Mädchen), der Scham beraubt und der Pille habhaft, eine Generation impotenter junger Männer schufen, wie es das, seit Kindermädchen keine Onanistendaumen mehr abschnitten, nicht mehr gegeben hatte. Impotent, muß ich sagen, war ich (damals) nie: immer bereit, mich hinzustellen und zu ejakulieren, wie mich hinzustellen und das Glaubensbekenntnis hervorzusprudeln. Dieser Anlaß zur Freude wurde, als in dem phosphoreszierenden Verfall all dessen, was uns lieb und teuer war, alter Groll aufzuflackern begann, eine von Janes Klagen; wenn ich, argumentierte sie, nicht so ewig aufrecht gewesen wäre, hätte sie sich aus Mitleid vielleicht ein Dutzend geiler Tricks beigebracht, mit denen sie gleichzeitig sich selbst zu einem Beben von multiplen Orgasmen hätte erregen können. So wurde der von mir vermutete Potenzmangel Ned Borks zu einem Pluspunkt, einem die Wahrscheinlichkeit erhöhenden, zusätzlichen Pastellfleck auf dem hektischen Skizzenblock meines Wunschdenkens, als ich die zwei, einen weiblichen, schlappen Adonis und seine reifere, mütterliche Venus, in einer Liebeslaube bettete – dieses gotteslästerliche, ausschweifende Paar, das durch Gewissensbisse mir gegenüber (mir, dem unsichtbar präsidierenden Gelästerten, dem gemeinsam Geliebten und Verabscheuten, dem y in der Trinitarischen Gleichung) von einem extravaganten Liebesakt zum andern getrieben wurde.
Fick meine Frau, du Speckhals.
Abends kam Bork oft zum Essen und blieb dann, während ich, das Telefon zu versöhnen, in den Schneematsch hinausstapfte, um einem komatösen, mit Schläuchen und Medikamenten versehenen Organismus, der einst ein Gemeindemitglied gewesen war, geistlich beizustehen oder (nicht oft – wir waren nicht verwegener, als es sein mußte) um Alicia in ihrem luftigen Reihenhaus zu besuchen. Und oft, wenn ich zurückkam, saßen sie, meine Gefährtin und mein Kuratus, aufgestützt und dösig, am Tisch oder ausgestreckt in Sesseln einander gegenüber am Kamin, nuckelten an Bier und Brandy (sie hatten beide das Fassungsvermögen von Tonnen, eine weitere vielversprechende Gemeinsamkeit) und tasteten zwischen den verwühlten Kissen ihrer Hirne vorsichtig nach einem Schnuller (soweit ich es beurteilen konnte), einem gesellschaftlichen Allheilmittel. Was waren sie doch für Babies! Ich dachte, sie wurden es wenigstens aus Langeweile miteinander treiben. Aber ihre Lust am Reden schien nie zu erlahmen. Die Nüstern erfüllt vom Moschusgestank von Tod oder Sex, die Schultern weiß bestäubt von Graupelschnee und Weh und Ach, blickte ich auf sie herab wie ein ungeduldiger Gott, der sich durch irgendeine Klausel in Seinem Vertrag mit Noah am Zerstören gehindert sieht. Ich sage «Graupelschnee» – Winter muß es gewesen sein. Über mehr Jahreszeiten hin, als ich
Weitere Kostenlose Bücher