Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
sondern daß sie sich in Atome auflösen und lautlos verschwinden mögen; nein, auch das nicht, doch mögen Mauern, Träger und Mörtel dieses Gebäudes sich in Blütenblätter verwandeln, Blütenblätter von Pfingstrosen und Magnolien, von Nelken und Chrysanthemen, und wie bei einem der berüchtigten Feste des Baal verehrenden Heliogabal auf uns niederfallen, schmelzende Mauern aus Düften und Farben und Reizen, so daß ein jedes weibliches Wesen unter euch mit einem jähen Orgasmus begnadet wird und jeder Mann von euch zumindest einen Wink erhält, einen besänftigenden Wink, daß die Welt nicht ganz und gar aus Eisen und Stein und Mühsal und Furcht besteht. Lasset uns darum beten. Lasset uns dies zuversichtlich erwarten. Denn es muß doch in dieser See von bedrückten und armseligen Sonntagsgesichtern wenigstens ein Senfkorn des Glaubens geben.
    Nein, nicht ein einziges. Die Mauern stehen. Wir sind verdammt. So verfluche ich euch denn, wie unser Herr den Feigenbaum verfluchte; möget ihr auf alle Zeit unfruchtbar von hier weichen, möge euer Geschlecht an den Wurzeln verrotten und sich ein besseres an seiner Fäulnis nähren.
    Amen.

14
    Mrs. Harlows zerbrechliches, anziehendes Gesicht mir gegenüber auf der anderen Seite meines Schreibtischs. Ich versuche meine Gedanken von ihrem Busen fernzuhalten, den ihr Strickkleid mollig genug umschmiegt, daß einem Heiligen warm werden könnte. Ihre Stimme entschwebt, nach oben gewandt, dem zarten Netzwerk ihres Gesichts, entweicht, um in der Luft unterzugehen, die durch das geöffnete Fenster hereindringt, geöffnet auf einen munteren matschigen Tag, einen trügerischen Frühling, die Fallen der Schneeschmelze. März. Wieder Fastenzeit. «… und er liebt mich wirklich so sehr, es ist rührend, und ich komme mir so … so furchtbar gemein vor.»
    Sie macht eine Pause, ich soll offenbar etwas sagen. So wenig wie möglich in dieser Phase. Ich gebe einen Rat. «Ich glaube, wir sollten unsere Gefühle offen darlegen, bevor wir anfangen, über sie zu richten.»
    Das stärkt sie, richtet sie um ein weniges auf und bringt sie um ein weniges näher an mich heran. Sie gürtet sich, um das Unaussprechliche zu sagen. «Ich hasse es, von ihm berührt zu werden», erklärt sie mir. «Ich denke mir immer irgendwelche Entschuldigungen aus, Kopfweh, eine Magenverstimmung, oder ich tue so, als ob ich schliefe –» ihre Ausdrucksweise hat etwas von altmodischen Liebesbriefen, und ihre Aussprache ist so ausgeprägt wie ihre Figur – «und immer versteht und verzeiht er alles, es ist geradezu erbitternd. Mir wäre es lieber, er schlüge mich, er verließe mich, er wäre ein Mann –»
    Ich würde am liebsten über den Schreibtisch langen und ihr ins Gesicht schlagen. Sie muß das irgendwie spüren, denn sie hält inne, die sanften grauen Augen erschreckt aufgerissen. «Fahren Sie fort», sagte ich. In meine plötzlich einsetzende Langeweile strömt das Geräusch der durch den Straßenmatsch platschenden Wagen, als wäre ein Verstärkerknopf aufgedreht worden.
    Sie sackt zusammen, gibt das wenige preis, das sie näher gekommen war. «Ich weiß wirklich kaum noch weiter. Ich will ja gar nicht, daß er mich schlägt, ich würde ihn verachten, wenn er es täte. Aber es geschähe dann doch einmal etwas, verstehen Sie? Es wäre ein – Zertrümmern.»
    «Oh!»
    «Wie bitte?»
    «Was wäre es denn, Mrs. Harlow, was dabei, wie Sie meinen, zertrümmert würde?»
    Mit ihrer zarten trockenen Haut in ihrem weichen Wollkleid spürt sie rauhen, schneidenden Widerstand, wo ich als Geistlicher ganz seelsorgerische Nachgiebigkeit sein sollte, ein Vakuum, in dem sie sich ausdehnen kann. Er reizt sie, mein Widerstand. Und daß sie ihn spürt, reizt mich. Ihre Antwort, als sie damit herauskommt, ist gut. Sie hat eine Münze in ihrem Mund. Sie verkündet mit noch weiter aufgerissenen Augen: «Wieso, unser grotesker trügerischer Frieden! Ich kann diesen Mann nicht ausstehen, und keiner weiß es. Nur Sie.»
    «Ich bin mir da nicht so sicher, ob ich es wirklich weiß.» Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her. «Wann haben diese Gefühle der Abneigung begonnen? Mit Sicherheit waren sie doch nicht vorhanden, als Sie heirateten.»
    «Warum sollte das so sicher sein?» Mir gefällt ihre Vorliebe für den Konjunktiv. Wir sind von Tangenten umgrenzt. Sie weiß das.
    «Warum hätten Sie sonst Mr. Harlow geheiratet?»
    «Weil alle, die ich kannte, heirateten und ich nicht allein bleiben wollte!»
    «Und sind Sie jetzt

Weitere Kostenlose Bücher