Der Sonntagsmonat
ihnen geliebt würden. Viele klagten, weil es bei ihnen genau umgekehrt war. Insgesamt ergab sich nach und nach ein seltsames Bild von der Rasse der Ehemänner als zahn- und rückgratlosen, einsilbigen, sich feucht und klebrig anfühlenden und ihrer Größe nach winzigen, tauben und blinden Individuen – aus den axtschwingenden, ihren Profit kalkulierenden Riesen, in deren Händen das Schicksal der Nation lag, wurden kindische Äffchen, sobald sie ihr Haus betraten. Selbst die physisch Gewalttätigen – die Schläger, die Nachthemdenzerfetzer – wurden als letztlich gefügig und so leicht zu täuschen, als so stumpfsinnig in ihrem Verhältnis zum Wesentlichen beschrieben, daß sie einem wie bemitleidenswerte Opfer einer Manipulation vorkamen. Zwar hatten viele Frauen Liebhaber gehabt, doch was sich für immer ihrem Gedächtnis eingeprägt hatte, war nicht des Liebhabers Überlegenheit oder Persönlichkeit, sondern ihr eigenes, weibliches, großartig abgeschirmtes Leiden. Ängstlich darauf bedacht, daß ich sie nicht für frigide hielt, schilderten die Frauen mir Momente der sexuellen Erregung, die nicht Männern anzurechnen, sondern die auf seltsame und neutrale Reize zurückzuführen waren – das Saugen eines Babys an der Brust, das Abheben eines Flugzeugs, das Vibrieren der Geschirrspülmaschine, wenn sie am Ausguß lehnten. Auch andere Frauen wurden erwähnt, sogar Filmbilder von anderen Frauen – besonders, in jenem Sommer, die hurenhafte Maria Schneider im Letzten Tango; Brando wurde verachtet, weil er seinen Pimmel { * } vor der Kamera versteckt hatte –, doch hatten nur sehr wenige meiner dem bürgerlichen Mittelstand angehörenden, Jahwe verehrenden Damen lesbischen Sex ausprobiert. Aber sie empfanden ein vages, Brücken schlagendes schwesterliches Gefühl der Empfindsamkeit und der induzierten Schuld und des Nicht-erkannt-Seins, ein Gefühl, das in den meisten Fällen so verschwommen und fragmentarisch heraufdämmerte, wie vor Kolumbus die Neue Welt emportauchte, ein völlig ungewisser Kontinent. Und mir schien jetzt, wenn ich am Fernsehapparat saß, daß Geld, grünes und goldenes Geld, das instinktiv das Licht sucht, es ebenso empfand, denn allein die Werbefilme mit ihrer unveränderlichen weiblichen Heldin waren lebendig, während die Sportberichte und «Spannungs»-Filme dazwischen aus oberflächlichem Brei bestanden, der irgendwie für männliche Gemüter von merowingischer Degeneration ausgelöffelt wurde.
Es brauchte im allgemeinen vier oder fünf Unterredungen, bis sexuelle Einzelheiten zur Sprache kamen; die Frauen, die am Ende besonders energisch auspackten, schoben meist irgendeinen anderen Kummer vor (den Tod eines Elternteils, die Widerspenstigkeit eines Kindes). Wenn dann jene Einzelheiten emporkamen, bewegten sie sich im Kreis um die Sache, die von der jüngeren Generation mit der Unisex-Wendung «es treiben» ausgezeichnet worden ist. Herz und Hand, Zunge und Fotze, Mund und Schwanz – welch eine erstaunliche Vielfalt von Melodien wurde auf dieser kärglichen Tonskala gespielt. Frauen, die dies von ihren Männern wollten und es nicht bekamen, Frauen, die es bekamen und es nicht ausstehen konnten, Frauen, die es über sich ergehen ließen, wenn es nur von ihnen nicht gefordert wurde, Frauen, die es mit solcher Hingabe taten, daß man denken konnte, sie hätten – wie der sommersprossige Pornofilmstar – die Klitoris hinten im Rachen. Irgendwo, inmitten dieser Juxtapositionen und ihres heftigen «Affekts», wurde ein amerikanisches Mysterium umschrieben, das mit Erkennen zu tun hatte, mit dem Anerkennen des Körpers durch die Seele, mit dem Wiedererlangen einigen bei der Überquerung des Atlantiks verlorengegangenen Gepäcks, mit einem virulenten Schauder angesichts der Schmach der Fleischwerdung, mit einem ungeheuerlichen und herrlichen Anderssein, dem die weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane ineinander begegnen. Ich weiß es nicht. Vielleicht war es meine im Zusammenhang mit der Unterseite der Kirchenbänke erschöpfend erörterte Bereitwilligkeit, «nach unten» zu gehen, was meine bekümmerten Frauen witterten. Aber vielleicht war das, was sie reizte, auch die von alters her bekannte sexuelle Ambiguität des Priesters mit seinen schleppenden Gewändern und seinem antistoischen Predigen von unserer Not und Schwäche und von unserer aus Schwachheit geborenen Bedürftigkeit. Denn die Spötter haben recht, unsere Religion ist tatsächlich eine Religion der Frauen und
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