Der Sonntagsmonat
hinuntergelangte, war mit kastanienbraunem Gummi ausgelegt und an den Wänden mit knorrigem Kiefernholz verkleidet; in dem Raum standen Kunstledermöbel und überdimensionale Kinderspielzeuge herum, rasengroße Billardtische und mannshohe Pfeilwurfscheiben. Riesen randalierten hier. Sie erneuerte den Kuß und brachte aus ihrer Kehle und dem tiefen Brunnen ihres Seins noch mehr erregte weiche Zungenblütenblätter hervor; ich fühlte mich passiv wie ein Schläfer; Ränder von Kleidungsstücken, Seide, die sich von Haut löste, streiften meine Finger; sie stand vor mir, nackt. Sie war größer als Alicia und zierlicher als Jane; der Faltenschleier beschränkte sich auf ihr Gesicht; ihr Körper war so weich wie ihr Blick. Nur etwas Spitzes, eine ängstlich ebenmäßige Häutigkeit auf den schimmernden Vorsprüngen von Hüftbein und Schlüsselbein, deutete an, daß sie mehr als ein Mädchen war. Ich ließ zu, daß sie mich wie eine Schaufensterpuppe entkleidete (der Knopf hinten an meinem Kragen wie immer ein Problem), und empfand eine leidenschaftliche Erregung, als ich ihre Nacktheit in meinen Armen hielt. Aber eine Erektion erfolgte nicht. Dies war für mich eine so neue Erfahrung, daß ich kaum den Takt aufbrachte, beschämt zu sein. Vielleicht ließ ihr vorspringender, flatternder Eifer mir keinen Raum, in sie hineinzuwachsen; das Übungsfahrrad ihres Mannes neben dem Gestell mit den Billardstöcken half auch nicht. Harlow war ein beliebter Diakon aus den fröhlichen Zeiten meines Vorgängers, ein untersetzter, grauhaariger Bankdirektor mit der furchtbaren Angewohnheit, sein Lächeln eine prüfende Sekunde lang zurückzuhalten und dann in ein wiehendes «Ich-hab-dich-ertappt»-Gelächter auszubrechen, bei dem er sogar seine goldenen Backenzähne zeigte. Ich dachte zu sehr an meinen draußen sichtbar geparkten Wagen, und Mrs. Harlow fühlte sich so zerbrechlich an, ein fieberndes Kind in meiner Obhut. Im Gegensatz zu Jane und Alicia war sie gläubig. Sie hielt meinen schlaffen Penis in der Hand und nannte mich lieb. Ihr Verzeihen und der vor-adamsche Höhlenfrau-Fall ihres Haares auf ihre bloßen Schultern sprengten eine Kapsel in mir. Ich fühlte, wie mir das Herz überlief, während mein Penis stumm herabhing. Über uns im Haus schaltete sich eine Maschine ein. Wäre es Gottes Schritt gewesen, hätte es kein Entkommen aus dieser niederen Zone gegeben. Ich fiel auf die Knie – darin ein Profi – und verschränkte ihre Hände wie im Gebet vor ihrer Scham – ein überraschend dunkles, gekräuseltes Kupferrot, das nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihrem Haupthaar hatte – und küßte die trockenen Handrücken und drehte ihre Hände und küßte die feuchten Innenflächen, wobei sich deren Feuchtigkeit und meine Tränenimmanenz vermischten; komische Gelübde hervorsprudelnd, daß ich in Herrlichkeit wiederkommen würde, zog ich mich an und ging. Am Fuß der Kellertreppe hielt ich inne und sah sie dort stehen, meine liebliche Frankie Harlow, einen Ausdruck gescheiterter Erwartung im Gesicht, ein zärtliches «am Haken» in der schrägen Haltung ihres Kopfes. Sie stand da wie eine badende Wilde über dem bläßlichen runden Abglanz ihres in dem kastanienbraunen Weiher des Bodens versunkenen Spiegelbilds.
Draußen hastete ich zwischen Reihen welkender Pfingstrosen den mit Steinplatten belegten Weg entlang, mit dem gleichen heißen, bleiernen Gefühl des Gejagten, mit dem ich aus dem Pflegeheim meines Vaters geflohen war – einem Gefühl, als hätte sich ein Raubtier drängend an meine Fersen geheftet, dessen Erfolg etwas Rauschhaftes haben würde, selbst für mich.
17
Der alte Mann hatte recht; da war ein Geruch, der mir jetzt anhaftete. Die Frauen witterten ihn. Sie kamen in Scharen um Rat. Die zuviel Wiegenden, die zuwenig Geliebten, die Mißhandelten, die weiblichen Bestien. Manche kamen aus anderen Gemeinden, manche gehörten keiner kirchlichen Gemeinschaft an. Vielleicht hatte es mit dem surrealen Frühsommer der Watergate-Enthüllungen zu tun; alles Sichere geriet ins Wanken, stürzte ein. Meine Nachmittage waren mit Verabredungen überschwemmt. Mein Telefon klingelte, wenn ich nachts am Eindösen war und während ich morgens noch träumte.
Was erzählten sie mir, diese Frauen? Summa summarum, daß ihnen die von den Männern gemachte Welt nicht mehr paßte. Für manche lag der wunde Punkt zwischen den Beinen, für andere lag er im Denken. Manche klagten, daß sie ihre Männer mehr liebten, als sie von
Weitere Kostenlose Bücher