Der Sonntagsmonat
Einschlag machen das Gewebe einer Gemeinde aus, und ich bin das Schiffchen», erklärte er mir, und befriedigt über das Echo des Glücks in diesem Satz, beugte er sich mit gewichtiger Vertraulichkeit zu mir vor. «Es geht nicht darum, daß du meiner armseligen Person durch diese obstruktive Haltung Unrecht tust; es geht darum, daß du die vielen anderen der zagen Weisheit beraubst, die das Evangelium der Liebe spenden könnte.»
Ich geriet in Versuchung, ich ließ mich auf seine Phantome ein. «Wir sind jedoch alle der Meinung», sagte ich, «daß dies dein Platz als Seelsorger ist. Du hast hier großartige Arbeit geleistet. Natürlich, wenn du unbedingt weiterziehen willst – aber hast du wirklich das Gefühl, daß deine Arbeit hier vollendet ist?» Ich deutete auf die leeren Wände, das straff geglättete Bett mit seinen Seitengittern, das stumme Fernsehgerät. In dem Zimmer roch es nach Ammoniak. «Spürst du nicht, wie du hier umgeben bist von Bedürftigkeit und Verehrung?»
Er hatte zunächst zustimmend genickt, doch bei meinen letzten Worten, als meine Stimme gegen die nackten Wände hallte, wurde ihm bewußt, daß etwas fehlte. Er schaute mich mit einem Blick an, den ein Sohn nie in den Augen seines Vaters sehen sollte, dem Blick, mit dem der Vater von daheim fortgeht und sich den Feinden draußen zeigt. «Du nennst es Verehrung», sagte er mit grollender Stimme, «ich nenne es Begierde und Ehebruch. Ihr habt mich mehr verletzt, du und sie, als Worte auszudrücken vermögen, aber ich lasse nicht zu, daß man auf mir herumtritt. Ich bin kein erbärmlicher Wurm. Ich lasse mich auf dergleichen nicht ein, Sir. Man hat mich eines Besseren belehrt, Sir. Ich pfeife auf Ihre Geschäftsverbindungen. Ich pfeife auf Ihre Freunde in hohen Positionen.»
Ich kämpfte die Angst nieder, die hinter meinen Augen flackerte. Ich stand halb auf, darauf gefaßt, daß er mich schlagen würde.
Mit schwerfälliger Beharrlichkeit fuhr er fort: «Ich habe Sie, offen gesagt, noch nie ausstehen können. Sie stinken nach Feigheit und Geilheit. Ich habe mir die Nase zugehalten, als Sie mein Haus betraten. Sie haben mächtige Verbündete, ich weiß, aber ich bin nicht machtlos. Ich kann gerichtliche Schritte unternehmen. Und es gibt noch andere Mittel. Ich habe zwar noch nie getötet, obwohl ich Soldat war, aber ich wäre dazu fähig. Ich liebe das Leben zu sehr, als daß ich Pazifist sein könnte. Sie weiß von der Tiefe meiner Gefühle. Sie weiß, wie Sie sie mißbraucht haben. Sie werden sagen, sie hätte Sie ebenfalls mißbraucht. Ich habe schon manchmal Männer solche schmutzigen Reden führen hören. So zahlen Sie’s ihr heim, mit Schmutz.»
«Daddy», sagte ich, «ich weiß nicht, wovon du redest. Ich bin dein Sohn. Mutter ist tot. Sie hat nur dich geliebt.»
In seinem schönen, massigen Gesicht staute sich das Blut; seine Augen, kleiner als Schweinsaugen und wie verschleiert, blickten durch mich hindurch und sahen mich doch mit zornigem Bedacht an. «Willst du», begann er, und jedes seiner Worte bebte vor überbordender Leidenschaft, «daß ich dir dieses heilige Buch –» die Schokoladenschachtel – «ins Gesicht schleudere?» Ich floh.
Von draußen, vom Flur her, blickte ich zurück und sah ihn, wie er, sein schönes Gesicht rot gefleckt, auf die Stelle starrte, wo ich gewesen war, und dann mit dem Ausdruck geistesabwesender Befriedigung ein Stück Nougat aus der Schachtel nahm und es sich unausgewickelt, im Wachspapier, in den Mund schob.
In der gleichen Phase meines Lebens, in der dieses Gespräch stattfand, führte mich Mrs. Harlow mit zitternder, feuchter Hand hinunter in ihren Hobbykeller. Die Harlows wohnten am Rand der Stadt, wo die zwei Acre großen Baugrundstücke mit Wald bestanden und teuer waren, und zwar in einem erst kürzlich fertiggestellten Ranch-Haus mit so modernistisch viel Glas, daß es in den Zimmern keine Ecke zu geben schien, wo man sich ungesehen umarmen konnte. Wir hatten uns in dem Augenblick hinter der Tür geküßt, als ich hatte gehen wollen, im Mund noch den Geschmack von dem Kaffee, mit dem sie untadelig meinen untadeligen Besuch belohnt hatte, der mit der Blumendekoration der Kirche zum Pfingstsonntag durch den Frauenkreis oder einem ähnlichen Vorwand zu tun hatte. Ihr Mund war eine aufregende vielblättrige Blüte mit mehr als zwei Lippen und mehr als nur einer Zunge gewesen. Ich schmolz und fror. Der Hobbykeller, zu dem man über eine mit einem Läufer belegte Treppe
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