Der Sonntagsmonat
Sklaven.
Und ich, was sagte ich oder wagte ich zu schreien in diesem Sturm weiblicher Unzufriedenheit? Daß die Ehe ein Sakrament ist und nicht ein zu gegenseitigem Nutzen geschlossener Vertrag. Daß ein Ehegefährte wie das Land, in dem wir geboren sind, und wie die Eltern, als deren Kinder wir zur Welt kamen, etwas Gegebenes ist, und daß wir lieben sollen, was uns gegeben ist, nicht was uns hätte gegeben werden können. Daß unser Glaube in dem schockierendsten, abstoßendsten und am wenigsten überzeugenden Satz seines Bekenntnisses darauf beharrt, daß wir und unsere Leiber eins sind, daß nichts weniger Elektrisierendes als die Auferstehung vom Tode unsere Geister der Ewigkeit überantworten wird und daß wir darum, physischen Schmerz (und anale Vergewaltigung, wogegen ich ein vermutlich politisches Vorurteil habe) einmal ausgenommen, nicht ketzerisch (und was für eine gewaltige Schlacht lieferten sich die Kirchenväter darüber –!) den Leib und seine dunklen Regungen kasteien sollten. Daß unser Körper aus einem wolkigen Teich zu uns heraufschaut, aber daß wir selbst es sind, unser Spiegelbild. Daß der Wunsch nach Kindern nicht mehr das ist, was er einmal war, auch wenn die der Evolution eigene Trägheit den Orgasmus als Köder beibehalten hat. Daß die Rechte der Frau nicht als genaue Entsprechung der Rechte des Mannes noch als Umkehrung männlichen Unrechts aufgestellt werden können. Daß Kommunikation oft das eigentliche Problem ist. Daß wir alle Fischer im Dunklen sind, im Sturm der Sinne und verrückten Ereignisse, und daß das Rucken am andern Ende der Schnur geduldig herangeholt werden muß, mit Fingerspitzen, die empfindlich geworden sind durch das Sandpapier eines scheuernden Glaubens. Und weiß der Himmel was sonst noch für nicht gänzlich unnützes Zeug.
Und ich schlief mit einigen wenigen, um mich nützlich zu machen. Allerdings nicht mit so vielen, wie die Gerüchte in der Gemeinde oder die mühsam unterdrückten Skandalgeschichten behaupteten. Aber die weinende Teenagerbraut mit dem verschmierten Mund, die nie einen Orgasmus gehabt hatte, und die hagere geschiedene Frau, bei der die Ergüsse nicht aufhörten, und die halbe Nonne, die auf das Abendmahl und die Gegenwart Jesu Christi und alles, was mit Frömmigkeit erfüllt, versessen war, alle flehten mich um Berührung an, flehten, obwohl die Kraft von mir ging. Und manche andere schienen, der Beschreibung ihres Privatlebens nach, meiner eigenen geheimen Art so komplementär, daß wir uns so selbstverständlich vereinigten wie zwei Teile in einem Puzzlespiel. Nachdem die Abneigung gegen eine solche Nutzung sich gelegt hatte, erwies sich die Kirche, leer an diesen langen Nachmittagen, als ein verschwiegenes, geräumiges Schatzhaus voller behaglicher Schlupfwinkel: der nach sauberem Linnen und altem Papier riechende Umkleideraum, die Schlafmatten im Kinderzimmer der Sonntagsschule, das Damenzimmer mit seinem Orientteppich und seiner verschließbaren Tür, mein Büro mit seinem ziemlich muffigen, Niesreize auslösenden Roßhaarsofa. Nie probierten eine meiner Partnerinnen und ich das Schiff und die Kirchenbänke aus. Aber ich war anfangs doch schockiert, wie diese verführenden Frauen, ohne zu fackeln, das im Sazerdotalen verborgene Skrotale aufspürten, wie intuitiv religiös ihre Anschauung vom Sex war, trotz der flüchtigen, improvisierten Gelegenheit. Wo blieb ihr Schuldgefühl? Sie kamen am Sonntag darauf mit lauteren Gesichtern zur Kirche und lauschten gebannt dem Wort Gottes. Für sie existierte eine ununterbrochene Folge, wo sich für mich eine erschreckende Lücke auftat. Gott segne sie alle! Sie holten mich aus der Wildnis heraus, wo ich nicht wußte, daß unsere Handlungen, jede einzelne, Huldigungen sind – nur das Drumherum wechselt. Kirchen sind spitze Türme und Kuppeln; wir dienen bald hier, bald dort. Es liegt schon etwas Großartiges, ein Ansturm von voúç und schwindelerregender Erhabenheit in dem Akt, eine Oblate zwischen die halboffenen Lippen eines Mundes zu schieben, der irgendwann in der gleichen Woche, deren Sonntag nun war, den eigenen, zuckend ausgestoßenen Samen empfangen hatte.
Was lernte ich sonst noch in diesem unbrachen Sommer meiner geistlichen Tätigkeit? Daß Ehebruch nicht nur eine, sondern mehrere Spezies umfaßt. Der Ehebruch Jungverheirateter ist ein flittrig beschwingtes Desaster, ein Phönix aus heißer Asche, die Offenbarung, daß man falsch gewählt, einen das Leben verschlingenden Irrtum
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