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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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läßt sie sterben», korrigierte ich sie. «Es gefällt ihm, wenn sie sterben. In diesem Sommer sah ich – neben vielen anderen köstlichen Zerstreuungen – einen fünfzehnjährigen Jungen an Leukämie sterben. Es war ein Junge wie andere auch, ein bißchen schwerer von Begriff als die meisten; er konnte nicht verstehen, warum es gerade ihn traf, und ich konnte es auch nicht. Aber er war alt genug und auch helle genug, um zu begreifen, was für ein sinnloser fauler Trick es war; warum begreifst du das nicht? Stell dir vor, es wäre Julie gewesen. Sie ist fünfzehn, nicht wahr? Stell dir vor, sie würde, während wir hier liegen, von einem Auto überfahren. Wie würde dir dann zumute sein?»
    «Furchtbar. Ich würde mich voll der Sünde fühlen.» Obwohl der Schmerz ihr das Wasser in die Augen trieb, versuchte sie noch immer in meinem Gesicht zu lesen, was ich wollte, damit sie es mir geben konnte.
    Ich legte meine Hände um ihren Hals. Ein Bündel pulsierender Venen. Ich fragte sie: «Wenn jetzt ein Dämon in mich führe und mich zwänge, dich zu erdrosseln, glaubst du, Gott würde es verhindern?»
    «Nein.» Sie war erschrocken und dennoch kicherte sie. Die plötzliche Berührung durch mich war ein angenehmer Kitzel gewesen.
    Ich schlug sie. Erst ein Klaps mit der hohlen Hand, dann ein richtiger Schlag mit der flachen Hand und mit steifem Handgelenk, so daß unsere Kammer unter dem Geräusch splitterte und alle Altweibersommerfäden, die ihre Liebe gesponnen hatte, weggefegt wurden. «Du blöde Fotze», sagte ich, «wie kannst du so blöde sein, an Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist zu glauben? Sag mir, daß du es in Wirklichkeit nicht tust. Sag es mir, damit ich dich ficken kann. Sag mir, daß du weißt, daß da unten in der Tiefe nichts ist. Die Toten stinken, Frankie; eine Weile stinken sie, und dann sind sie nur noch Knochen, und dann nicht einmal mehr das. Nichts. Für immer und ewig. Habe ich nicht recht? Sag es!»
    «Ich kann nicht.»
    «Warum nicht, Süße? Warum nicht? Bitte.» Ich erhob mich auf die Knie und beugte mich über sie, ich wollte sie wegtragen, in Sicherheit, fort von mir. Eine paradoxe Anwandlung, nehme ich an.
    «Ich kann nicht», wimmerte sie unter mir und wand sich.
    Ich wischte die Haare beiseite, die ihr die Aufregung in die Augen geworfen hatte. «Warum kannst du nicht? Du weißt, daß da nichts ist. Sag mir, daß da nichts ist. Sag mir, es ist ein Schwindel, ich bin ein Schwindel, es ist alles in Ordnung, es gibt nur uns, und wir werden sterben, es gibt nur deine liebe Fotze, nur deinen lieben Arsch, deine Titten, deinen lieben Mund, deine lieben, lieben Augen.» Ich berührte ihre Lider und hatte den Gedanken, zuzudrücken.
    Sie biß sich auf die Unterlippe, statt zu sprechen.
    Ich kroch tiefer, drängte, machte den Clown. «Da ist Nobody, Frankie, mit seinem treuen Hund Nada. Da kann nur das Nichts sein. Du kannst nicht wirklich denken, daß da ein Gott ist. Du weißt, daß du es nicht kannst. Was für einen Grund hast du? Nenne mir einen einzigen Grund, Frankie.»
    «Dich», sagte sie in einem halb feindseligen Ton, und diese Feindseligkeit brachte ihre Seele so nahe heran, daß ich stöhnte und den Kopf beugte, um meinen starren Blick von ihren Augen zu lösen; ich sah meinen Phallus bis zu meinem Nabel erigiert. Sie spreizte ihre Beine schnell, aber nicht schnell genug. Zwar drang ich in sie ein, doch überkam mich reuige Zärtlichkeit; ihr Beckenknochen stieß knirschend gegen den meinen, als ich in ihr schrumpfte; sie kam, weit und bereit, wofür auch immer, während ich nicht konnte und es wieder Zeit für mich wurde, zu weinen. Sie zog mein Gesicht so ungestüm zu sich herab, daß ich mich widersetzte ; sie küßte durstig meine Tränen.
    «Verzeih mir», sagte ich natürlich, «ich weiß nicht, was mit mir los ist. Aber wenigstens hast du etwas davon gehabt, diesmal, nicht wahr?»
    Sie nickte bebend, noch immer meine Tränen schlürfend; ihre Zunge fühlte sich so groß und kräftig und isoliert an, daß ich an den Kuß denken mußte, bei dem ihr Mund so gewesen war, als bestünde er aus vielen Blütenblättern. Sie formte Wörter. «Du mußt», sagte sie zu mir, «daran auch als an etwas Heiliges denken.»
    Ich rollte mich von ihr herunter. Ihr hübscher Körper sank in eine Mulde von Schweiß. Die frische Luft an meiner Haut stellte für mich die Welt wieder her. «Okay», sagte ich. «Das ist gute praktische Theologie. Ich werde es versuchen. Ich

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