Der Sonntagsmonat
«Er fand ihn in der Wüste.»
Moses spricht hier von Jakob, doch könnte ebensogut er selbst gemeint sein oder ein Dutzend anderer von Gott erwählter Männer des Alten Testaments. Der Vers geht, wenn ich mich auf mein Gedächtnis verlassen kann, folgendermaßen weiter: «Er fand ihn in der Wüste, in der dürren Einöde, da es heulet. Er umfing ihn und hatte acht auf ihn; er behütete ihn wie seinen Augapfel.»
Ich würde vorschlagen, meine lieben Brüder, die ihr die Welt verlassen habt und von ihr verlassen wurdet, heute morgen nicht über den verhaßten Gott des Alten Testaments zu meditieren, über Seine rachsüchtigen Plagen und Pestilenzen und Seine absurde Besessenheit in Fragen der Beschneidung und Seines eigenen Namens, noch über jene rätselhaften Unmenschen wie Mose selbst und David und Samson, auf denen unabänderlich und nicht übertragbar Sein Segen ruht, sondern über die Wüste, die Einöde oder Wildnis, wie sie oft genannt wird, welche die Welt der Bibel umschließt, wie dürrer Sand eine Oase umgürtet und wie die bittere Schwärze des Alls unseren freundlichen, dunstigen Planeten umgibt.
Zwar vollzieht sich das biblische Geschehen auf einer Insel im Meer der Geschichte, doch die Einöde ist immer da, vor der Zeit und die Zeit überdauernd. Adam und Eva werden ihres Ungehorsams wegen in sie hinausgeschickt, und unser Herr Jesus Christus zog sich vor Anbeginn Seines Wirkens in sie zurück und wurde in ihr vom Satan versucht. Dort war Er, wie Markus uns in seiner einprägsamen Art erzählt, «bei den Tieren, und die Engel dienten Ihm». Und für jeden der vierzig Tage Seines Fastens und Wachens dort wanderten die Kinder Israels eines von vierzig Jahren in der Wüste Sin oder Zin oder Sinai, wo sie oftmals Durst litten, so bitteren Durst, daß der Herr zumindest bei einer Gelegenheit davon abließ, Seine Kinder schrecklich zu schelten, und Mose zum Berge Horeb führte und ihm gebot, einen Schlag mit seinem Stab zu tun, der «den Fels wandelte in Wassersee und die Steine in Wasserbrunnen». Unsere Seele, sagt der Psalmist, dürstet nach Gott – dessen Lehre, so wird uns an anderer Stelle gesagt, wie der Regen herabtropft, «wie der Regen auf das Gras und wie die Tropfen auf das Kraut». «Er führet mich zum stillen Wasser, Er erquicket meine Seele» – die besondere Welt Gottes in der Bibel ist eine Welt der Oasen; die Welt jenseits, die Welt der allgemeineren Schöpfung der Herrn, ist eine Wüste.
Jetzt wohnen wir in der Wüste. Ihre Luft, rein und süß wie mythischer Äther, erstaunt unsere Gesichter, wenn wir aus dem Schutz dieser freundlichen Herberge hinaustreten; wir sehen auf dem Golfplatz die wilden Rasensprenger einen Derwisch-Tanz vollführen, um den Herzschlag des Grüns am Leben zu erhalten. Heben wir unsere Augen auf zu den Bergen oder begleiten wir unsere treffliche Ms. Prynne auf einem ihrer wohlbehirteten Wege durch die Natur, dann stoßen wir auf einen Kosmos aus fragiler Kieselerde, Felsgestein, flockig vom langen Backen und der Berührung ebenso abhold wie eine heiße Ofenplatte. Scheinbare Seen erweisen sich als flimmernde Luftspiegelungen oder als salzverkrustete glitzernde Playas – nicht die Antwort auf des Dürstenden Gebet, sondern seine Verhöhnung. Ungeachtet all der abschwächenden Touristikklischees und der Besucherzahlen, die ein mächtiges und frivoles Imperium durchzusetzen vermag, können uns einige wenige Schritte vom ausgetretenen Pfade ab, in die Einsamkeit unterhalb eines roten Felsens hinein, davon überzeugen, daß diese Größe voller Willkür ist; ihr Atem ist der eines Drachen, und ihre unzähligen Augen sind blind. Dankbar kehren wir in unseren Hafen der Kühle und des Schattens zurück und tummeln uns im Schwimmbecken, dessen Wasser, so gierig aus der Tiefe der dürren Erde heraufgepumpt, wie der Buschmann in der Kalahari durch einen Strohhalm Leben aus dem Sande saugt, den heiklen Grundwasserspiegel beeinträchtigt und auf tückische Weise die Wüste veranlaßt, sich anderswo auszudehnen.
Denn die Wüste wächst, da dürft ihr euch keiner Täuschung hingeben. Der Hirte ist räuberischer als der gescholtene Jäger. Ganze Hirtenländer in Nordafrika sind zu Wüsten abgeweidet worden, wo heutzutage Hungersnot herrscht. So manche grüne Gegend, durch die unser Heiland wandelte, und Eden selbst und die Saatstätten der Zivilisation in Sumerien sind bleiche Täler geworden, Heimstatt nur noch dem in Tücher gehüllten Araber. Den Geologen nach gibt es
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