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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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denke, daß nächste Mal komme ich soweit.»
    Und die Ereignisse entlarvten mich nicht als falschen Propheten. Es gab kein nächstes Mal. Nehme ich meine Tätigkeit als Geistlicher unter die Lupe, finde ich nur diesen einen Makel: Nie bekam Frankie Harlow meinen Samen, glitzernd und brennend wie eine Prise Salz, in sich zu spüren.
     
    Besorgt, mein Motel-Abenteuer habe mehr Zeit verschlungen, als selbst ein Besuch an einem Sterbebett rechtfertigen konnte, eilte ich den Ziegelweg entlang. Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. In meiner Abwesenheit hatte die Welt sich über jedes Verlangen nach meinen Lügen hinaus weitergedreht. Ned war da, bei Jane. Sie saßen im Wohnzimmer, in den einander gegenüberstehenden Sesseln am Kamin, wie so oft, wenn ich von einem nächtlichen Weg zurückkehrte, damals in der Zeit der Irrfahrten, als ich irrtümlich hoffte, die beiden würden sich ineinander verlieben. Nur brannte jetzt kein Feuer im Kamin, sondern das schwache Tageslicht herbstlicher Abendbrotszeit entlockte der romantischen Szene fahle Schatten, und beide waren nüchtern. Als ich den Raum betrat, unter dem eichenen Bogen hindurch mit seinem göttlich gearbeiteten Tympanon (grausam wie eine Guillotine, falls er fiel) aus Knäufen und Spindeln, standen beide in absurder Einmütigkeit auf. Ich war in Sorge, die Jungen könnten mithören, was immer sie sich zu erzählen hatten, aber vom anderen Ende der Wohnung her tönte das elektrische Strudeln des Fernseh-Spülwassers.
    Jane warf Ned einen Blick zu und trat einen Schritt vor, um das Wort zu ergreifen. «Tom, Alicia –»
    «Hat es nicht gefallen, so rausgeschmissen zu werden», fiel Ned ihr ins Wort und bezog mit einem noch federnderen Schritt als Jane eine parallele Position auf dem Teppich. «Deshalb –» Er nickte respektvoll meiner besseren Hälfte zu.
    «Deshalb ist sie zu Gerry Harlow in die Bank gegangen und hat ihm alles, was sie weiß, erzählt.»
    «Was offenbar mehr als genug war», sagte Ned nörgelnd in seinem abstoßenden alten Tonfall.
    Nachdem sie auf Antwort von mir gewartet hatte, fuhr Jane fort, rührend gequält, so daß ihre Stirn wie gehäutet aussah und ihr Mund so straff, als stimmte die Synchronisation nicht mehr. «Und nicht nur über dich und sie, sondern auch über –»
    «Über dich und alle Welt», beendete Ned, dessen schimmernder Bart sich zu tausendfältigem Lächeln kräuselte, den Satz.
    Jane sagte: «Er war heute nachmittag hier, eine ganze Stunde lang und sehr aufgeregt – Frankie war offenbar nicht zu Hause und auch sonst nirgendwo aufzutreiben –, und er will für heute abend eine Sitzung der Diakone bei sich zu Hause einberufen.»
    «Ganz geheim – pscht!» sagte Ned.
    «Er will natürlich, daß die Sache soweit wie möglich vertuscht wird – ein plötzlicher Urlaub, zum Beispiel. Wir könnten sagen, ein Nervenzusammenbruch oder wie immer man so etwas heutzutage nennt –»
    «Gerry hat sich an unseren guten Bischof gewandt», sagte Ned, «und der hat zu ihm gesagt, daß es irgendwo, weit im Westen, sogar ein Heim gibt für Fälle wie deinen. Offenbar sind Fälle wie deiner im Kommen.»
    Mein Bischof: ein ziegelroter Mann in schwarzer Sitzung in einer ziegelroten, mit schwarzer Industrie umrandeten Stadt. Für ihn war ich ein schwarzer Nadelkopf auf einer Karte christlicher Versorgungsstätten – Tankstellen, Raffinerien, Verkaufsbüros – innerhalb der Region. Ein Stich, und ich war versetzt. Ich fühlte mich winzig in seinen Augen und stereoskopisch ins Riesenhafte vergrößert, eine bläßliche Ungeheuerlichkeit jenseits der Grenzen des Erlaubten, in den starrenden Augen dieser beiden, unter Neds von einer nicht unfreundlichen froschgrünen Genugtuung gewärmten Blicken und in Janes durch Güte und Mitleid und ein hoffnungslos melancholisches Gefühl der Distanz kühl gewordenem Blick. Ohne Beisein eines Zeugen hätte sie sich in meine rußig schwarzen Arme gestürzt und sich mit mir zu einem gleichmäßigen Grau vermischt. Neds Gegenwart ersparte ihr dies. Sie warteten darauf, daß ich etwas sagte.
    Ich lachte und fragte: «Warum erinnert ihr zwei mich nur so sehr an ein Paar Hi-Fi-Lautsprecher?»
    Eine überflüssige Frage. Sie konnten gar nicht anders, sie waren ein Paar, mein Instinkt hatte mich nicht getäuscht, ein gut zusammenpassendes Paar von Tugendbolden.

20
    O Herr.
    Wieder ist ein Sonntag über uns gekommen.
    Unseren Text wollen wir dem 5. Buch Mose entnehmen, wo es im 32. Kapitel also lautet:

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