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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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zurückschreckte, mit dem Gesicht zwischen ihren Schenkeln zum Höhepunkt. Wie tigerinnenhaft, wie selbstvergessen sie sich in diese letzten, den Durchbruch eröffnenden Zungenschläge hineinstieß! Ich war zufrieden. Wir aßen. Der Wein war schon zur Hälfte getrunken. Unsere gestohlenen Stunden schwanden dahin. Ich versuchte mich zu erklären.
    «Ich kann mir nur denken», sagte ich, «daß es etwas mit deinem unbeirrbaren Eifer als Anhängerin der Kirche zu tun hat.»
    «Aber –» Sie hielt taktvoll inne.
    «Das sind die anderen auch, willst du sagen? Jane und Alicia? Nun, Jane glaubt nicht an Gott, sie glaubt an das Rechte im Leben. Und Alicia noch weniger. Sie liebt Musik und Männer, und für mehr reicht ihr geistiges Budget auch nicht.»
    «Und bin ich», fragte Frankie, ihre Schüchternheit ablegend, «die einzige andere –?»
    «Nun, nicht ganz.»
    Die Melancholie und die gedämpften einmaligen Schüsse hinter den Chorhemden wollte ich nicht verraten, auch ihr nicht. Das fiel unter die Schweigepflicht des Therapeuten. «Aber selbst wenn die Frau tatsächlich ein Glied der Kirche ist, verkörpert sie den Glauben nicht so, wie du es tust. Du scheinst regelrecht versessen darauf. Wenn ich daran denke, wie du durch deinen Schleier zu mir aufgeblickt hast.»
    «Aber jetzt bin ich nicht verschleiert», sagte sie zutreffend und biß mit ihrem Lächeln in einen «Butter Nutter»-Keks. «Und bin ich wirklich –» sagte sie mit krümelndem Mund, die eine Hand unter dem Kinn aufgehalten, damit das Bettlaken nicht von den Krümeln piekste – «so versessen darauf?»
    «Ich meine schon. Glaubst du an Gott den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden?»
    Sie errötete und antwortete mit einer Stimme, so bescheiden wie möglich. «Ja.» Wut kam in mir auf, der Zorn eines Amateurklempners, der enttäuscht darüber war, daß er den Klumpen in mir nicht auflösen und nicht beseitigen konnte, was mich in meiner Fähigkeit behinderte, meiner scheußlich gewöhnlichen und, wie man so sagt, gottgegebenen Fähigkeit, mich in den Schoß dieser geliebten Frau zu ergießen.
    «Sag, daß es nicht so ist», befahl ich ihr.
    Frankie begriff nicht.
    «Sag, daß du nicht an Gott glaubst. Sag, daß Gott für dich nichts als ein alter israelitischer Furz ist. Sag es!»
    Sie war willig und holte sogar Luft, um irgend etwas hervorzubringen, schaffte es aber nicht.
    Immer nur kleine Schrittchen, sagte ich mir. «Sag ‹Furz›.» Sie tat es. Ich ließ sie weitere Wörter nachsprechen. Sie brachte sie gehorsam über die Lippen, ohne sie zu schmecken, wie ein Kind im katechetischen Unterricht. Ihre Mundwinkel rundeten sich dabei; sie war amüsiert. Unsere Litanei erregte mich; sie bemerkte es und begann mit großen Buchstaben zu sprechen; aus einem neuen Blickwinkel bewunderte ich die Sequenz ihrer Wirbel und die symmetrischen Flächen ihrer flügelartigen Schulterblätter; ich stieß sie von mir und hob ihr Gesicht zu mir hoch und hielt es so fest, daß ihre Wangenknochen weiß und ihre Augen rund wurden.
    «Wie bringst du es bloß fertig, zu glauben, Frankie? Wie bringt jemand mit gesundem Menschenverstand das fertig?»
    «Das tun viele», antwortete sie mir. Dann verbesserte sie sich: «Manche.»
    «Es ist so lächerlich», sagte ich. «Und es ist immer lächerlich gewesen. Da gab es einst diesen furchtbaren Stammes-Chauvinismus der Juden. Dann kam ein junger Größenwahnsinniger daher und sagte: ‹Seht mich an.› Und ungefähr ein Dutzend Leute taten es. Und dann… Wir wissen nicht, was geschah, keiner weiß es, wir wissen nur, daß zu der Zeit, als das Römische Reich verrottete, ein Mysterienkult stärker war als all die anderen. Die Leute waren damals ebensolche Wirrköpfe, wie sie es heute sind – es hätte jeder Kult sein können. Und die verdammte Sache ist bis heute unter uns lebendig. Es ist eine feste Einrichtung daraus geworden, ein Establishment, meine geliebte Frankie. Ein Riesenschwindel. Glaub mir. Die Worte sind leer. Das Brot ist nichts weiter als Brot. Die größte Vertriebsmacht in der Welt, und sie verkauft leere Kalorien – Jesus Christus. Was ist das, Frankie? Ein Detergens? Ein Desodorans? Und was bewirkt es, Frankie, dieses unsichtbare geruchlose Ding?»
    «Es macht es den Menschen möglich zu leben …?» Zu spüren, wie ihr zerbrechlicher schmaler Unterkiefer sich unter meinen Fingern abmühte, war erregend. Mein Griff hatte ihre von feinen Falten gefurchte Gesichtshaut gestrafft.
    «Es

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