Der Sonntagsmonat
heute mehr Wüste als zu irgendeiner anderen Zeit in den Milliarden Jahren der Erdgeschichte. Utah war einst ein einziger See. Dinosaurier wateten durch Sümpfe, wo heute Eidechsen über das Geröll ihrer versteinerten Knochen huschen.
Und wächst die Wüste nicht auch in einem anderen Sinne? Die Straßen unserer Städte sind verlassen, leergefegt von Angst. Auf den Mittelstreifen unserer Highways blüht nichts als Abfall. In unseren öden Vorstädten sind die Häuser so gleichmäßig aneinandergereiht wie Kreosotbüsche, deren Wurzeln die Erde ringsum vergiften. Das Weiße Haus selbst, das nach dem Willen seiner Erbauer der Mittelpunkt der Rechtschaffenheit und das Zeichen der Reinheit sein sollte, ist offenbar eher eine Erdhöhle, aus welcher der Skorpion der Falschheit hervorkommt, um zu stechen, immer wieder zu stechen und sich wieder zu verkriechen.
Und in den Herzen der Gemeinde, die zu beschützen und zu nähren einst unsere Berufung war, lieben Brüder, gewahrten wir dort nicht eine erschreckende Wüste unfruchtbarer Apathie und versengender Verachtung, eine Wüste der Anorexie – um ein plötzlich zum Modebegriff gewordenes griechisches Wort zu benutzen, welches das Gegenteil von Appetit bedeutet? Jene barbarischen biblischen Helden, die Jahwe zu seinem Augapfel erkor – welche Sünden außer dieser einen haben sie nicht begangen? Zeugungskräftige Bräutigame, lüstern auf die Welt – wo sind sie heute? Und ist nicht selbst die Glaubenslosigkeit, die einst unsere Frömmigkeit mit der Kraft einer reineren Frömmigkeit bestürmte, heutzutage eine für immer verlorene Wüste, eine leere, langweilige Wildnis, wo nur noch die am meisten degenerierten Arten dämonischen Aberglaubens – Astrologie, Wahrsagerei, Hinduismus – in den Herzen der Jungen sprießen, bis sie allzubald aufhören, jung zu sein und in ihrer verfluchten Unreife nicht einmal mehr diese armseligen okkulten Kräuter hegen? Und unsere Technik, die so protzig das Paradies wiederaufzubauen versprach – was ist sie am Ende anderes als eine heimtückische Giftschleuder? Wohin hat sie uns zu ihrem Triumph und zum Zeichen ihrer Möglichkeiten gebracht außer zu der ödesten aller Wüsten hinauf, auf die Oberfläche des Mondes, wo nicht einmal eine Flechte oder eine Mikrobe lebt?
Und doch, und doch … Für diejenigen unter uns, deren Köpfe Gott umgewendet hat, so daß sogar unsere Kragen wie ein Drehkranz geformt sind, muß es immer ein «und doch» geben. Und doch – wie dankbar inhalieren unsere Lungen diese dünne Wüstenluft! Wie voll ist für das eingewöhnte Auge diese von Gebäuden und Wäldern leere Landschaft! Wie leuchtend der seltene Regen! Wie kostbar die spärlichen Kaktusblüten!
Wir alle kennen den Namen Death Valley. Wie viele von uns haben von La Palma de la Mano de Dios gehört? So nannten die Spanier zu ihrer Zeit das rauheste Becken der amerikanischen Wüste. Der Handteller Gottes. Sind wir hier nicht alle in diesem Handteller Gottes? Und sehen wir nicht rings um uns (unter der kundigen Führung unserer lieben Ms. Prynne) den Josuabaum die Arme linkisch zum Gebet erheben, und hören wir nicht den Orgelpfeifenkaktus dröhnend seinen überirdischen Choral spielen? Welch ein Lobgesang entschwebt dem unsichtbaren strotzenden Leben der Wüste – da ist das Pekari und der Ozelot, die Krötenechse und der schwarzschwänzige Eselhase, die Känguruhratte, die niemals Wasser zu trinken braucht, und die Agave, die Jahrhundertpflanze, die nur einmal in Dekaden blüht. Wie erfinderisch und alles durchdringend ist doch das Leben! Livingstone-Kakteen ahmen die Steine nach, zwischen die sie sich schieben, Peitschenschlangen schleudern sich von Busch zu Busch, der Mesquitestrauch kann seine Pfahlwurzeln einhundert Fuß tief in die Erde hinabtreiben, der Kerzenstrauch wirft seine Blätter ab, um die Verdunstung zu verringern, und setzt die Photosynthese mit Hilfe des Grüns seiner Rinde fort. Vögel nisten in Dornsträuchern. Winzige Zahnkarpfen, transmutierte Abkommen von Fischbewohnern der einst riesigen Seen, leben noch immer in den übriggebliebenen salzgesättigten Teichen. Und noch wunderbarer sind die Quappenkrabben, die in den wenigen Stunden, die eine Überschwemmungspfütze überdauert, ausschlüpfen, wachsen, sich paaren und sterben, und in ihren vertrockneten Leichen Eier hinterlassen, aus denen, wenn die nächste Pfütze an dieser Stelle entsteht, und sei es viele Jahre später, wieder Junge ausschlüpfen. Die Samen von
Weitere Kostenlose Bücher