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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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machte ein ordnungsgemäßes Verfahren es erforderlich, ganz von vorn zu beginnen.) Als er im Gespräch mit ihr darauf zurückgekommen sei, sagte Harlow, habe Alicia einen Rückzieher gemacht und ausweichend erklärt, das sei nur eine Vermutung gewesen.
    «Und was sagt Ihre Frau dazu?» fragte ich.
    Sein Gesicht brannte in dem Wind, in dem er war, und wurde noch eine Spur rötlicher. «Sie streitet es ab.»
    «Und Sie zweifeln an ihrer Aufrichtigkeit?»
    Angestrengt nach der Wahrheit tastend, sagte er, der in seinem Beruf, bei seiner Tätigkeit, Darlehen gewähren oder zu verweigern, gewöhnlich die Wahrheit schon im voraus hübsch griffbereit in der Schuldscheinkassette hinter seiner Grimasse hatte: «Gerade diese glatte Verneinung kommt mir komisch vor – höhnisch, ja geradezu schamlos. Es ist, als läge ihr gar nicht daran, daß ich ihr glaube und mich damit zufriedengebe. Es ist, als – haßte sie mich.»
    «O nein.» Die Promptheit meiner Antwort war verdächtig, und auch seltsam, wenn man bedenkt, daß sie eben dies verschiedene Male zu mir gesagt hatte. Aber das Weibliche in mir erzitterte bei dem Gedanken, daß dieser Beschaffer der teuren neuen, mit viel Glas gearbeiteten, riesigen Möbel, zwischen denen Frankie lebte, gehaßt werden könnte. Er war ein lebendiger Gott. Ich sagte: «Bei ihren Besuchen hier nahm ich nur sehr wenige unambivalente Zeichen dafür wahr, daß dies der Fall sein könnte, auch wenn sie sich, und das müssen Sie wissen, in einer Phase ihres Lebens befindet, in der sie wieder mit ihren eigenen Bedürfnissen vertraut werden sollte, nach all den Jahren einer auf andere ausgerichteten Tätigkeit – wobei die anderen natürlich in erster Linie Sie selbst und Ihre Kinder sind.» Außer Julie, der schmalen, Blockflöte spielenden Julie, hatten sie einen Jungen, Harry, eine dreizehn Jahre alte Kopie seines Vaters, erschreckend erfolgreich in der Schule und ein altkluger Spötter im Kinderchor, ein gewitzter kleiner Gauner, ein Bankier im Werden.
    Gerry Harlow sagte: «Eine Nachbarin erzählte mir, sie hätte Sie eines Tages aus dem Haus kommen sehen.»
    Dieser Anklagepunkt brachte mich aus der Fassung, so sehr ging mein maskulines Ego in dem christlichen Bemühen auf, seinen Zweifel zu beschwichtigen und seine Ehe zu retten. Eine witzige Ausrede fiel mir ein. «Das muß Jane gewesen sein, in Hosen», sagte ich. «Wir sehen uns sehr ähnlich, wissen Sie.»
    Seine Antwort kam direkt aus dem Weltraum: «Das können Sie anderen erzählen.»
    Ich nahm seinen metallischen Ton auf und sagte zu ihm: «Es gibt keinen Grund für Sie, meinen Worten zu glauben – außer, daß ich, wie Sie bemerkt haben werden, in dieser Woche nichts abgeleugnet und folglich zu diesem speziellen Zeitpunkt nichts zu verlieren habe. Stimmt das?»
    «Ja.»
    «Also schwöre ich Ihnen feierlich, daß ich Ihre gute Frau –» es kam auf das richtige Wort an – «nie ge fickt habe.»
    Er wartete seine prüfende Sekunde ab, dann schoß ein Bolzen in seinem Gehirn zur Seite, die Grimasse löste sich, die Lippen schoben sich zurück, die Goldkronen seiner Backenzähne schimmerten. Ich hatte das Darlehen. Er sagte: «Immerhin, Sie kennen sie von einer Seite, von der ich sie nicht kenne. Sie hat freimütig mit Ihnen gesprochen.»
    Wie herablassend! Ich hatte mich in seinen Augen gedemütigt. Ich hatte es darauf angelegt, doch jetzt juckte es mich, ihm die Wahrheit zu sagen, ihm von den sexuellen Akten zu erzählen, die stattgefunden hatten, von Frankies schamlosen sklavischen Akolythendiensten. Ich sagte nichts.
    Er fuhr gelöst fort, erging sich in Einzelheiten: «Was soll ich mit ihr machen? Soll ich ihr den Stuhl vor die Tür setzen? Irgendwie will sie es, aber ganz abgesehen von den Kindern – ich täte es furchtbar ungern, sie ist so verdammt präsentabel. Und wir kennen uns so genau. Bei irgendeiner anderen Person hat man das nicht.» Mir wurde klar, daß die «Nachbarin», die mich erspäht und es ihm hinterbracht hatte, einen Grund und eine Gelegenheit dazu gehabt haben mußte. So blieb also die Plage, unser Totentanz, selbst dem Vorsitzenden des Rates der Diakone nicht erspart. Er kam zum Schluß. «Andererseits bin ich nicht gewillt, den Rest meiner Zeit mit einer Frau zu verbringen, die mich nicht ausstehen kann. In Frankie steckt etwas von einer Nonne, schon immer – die kann hart sein.»
    Ich seufzte. Meine Schreibtischplatte, jetzt leergeräumt von meinen Papieren, meinen Bildern, meinen Briefbeschwerern,

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