Der Sonntagsmonat
Schüchternheit ihrer grau behandschuhten Hände, deren nackte Geister die Laube unserer verflochtenen Erinnerungen heimsuchten – ihre Hände, in meinem Büro gereizt in die Taschen ihres Nerzmantels geschoben, ihre Hand mit der feuchten Handfläche, die meine Hand nahm und mich in ihr Kellergeschoß führte, ihre liebliche, meine Schlaffheit liebkosende Hand, ihre hohle Hand, wachsam unter das Kinn geschoben, um die Kekskrümel aufzufangen in dem Motel), und zwar in einer engen Cafe-Nische in der Stadt, in deren Vorstadt wir wohnten. Ich stammelte: «Als wir uns das erste Mal küßten, hattest du mir Kaffee gemacht.»
«Es macht mich ganz verrückt, daran zu denken», sagte sie.
«Gerry weiß wirklich nichts?»
Sie schüttelte schweigend den Kopf; ihre Tränen hatten in der Glasur ihrer Wangen feine Kanäle gefunden, denen sie folgten.
Ratgeber bis zuletzt, sagte ich: «Vielleicht solltest du es ihm sagen. Du kannst nicht auf Sand wiederaufbauen. Auf Lügen.»
Frankie, die in schicklicher Haltung auf der anderen Seite des kleinen Plastiktisches saß, der schneeweiß und eisglatt war, mit einem verschwommenen rosa Fleck darauf, der Spiegelung ihres Gesichts, beugte sich ein klein wenig vor und sagte klar und deutlich, in jenem Garten der Stimme, dessen ferner Winkel von Magnolien beschattet wurde, Worte von alarmierender Heftigkeit: «Ich will nichts wiederaufbauen, ich will zerstören. Alles außer uns. Ich will nicht, daß dieser tyrannische Trottel sich suhlt in dem, was du und ich gehabt haben.»
«Viel war’s nicht», bemerkte ich. «Womit ich natürlich nicht dich meine, sondern –»
Sie wußte, was ich meinte, und ihre behandschuhte Hand wischte es beiseite. «Es wäre dazu gekommen, und es wäre schön gewesen», bekannte meine liebe Verehrerin.
«Zerstöre nichts», bat ich sie. «Du hast so vieles. Das Haus, die Möbel –» Vielleicht lockte meine Sorge um ihre Möbel das feine listige Lächeln hervor, das sich da hinter ihrem Schleier erkennen ließ – nein, sie trug keinen Schleier. Wie meine Ehrfurcht vor ihren Möbeln eine Fehlleistung. «Denk an Julie», sagte ich.
Sie hob ihre weiten grauen Augen – weit wie der Horizont hier weit ist, zu weit, um mit einem einzigen Blick erfaßt werden zu können, was verwirrend ist, was vielleicht erklärt … aber lassen wir das. Ihre Stimme klang alarmiert wie damals, als sie zu mir gekommen war, um sich über Alicias Musik zu be schweren. Sie sagte: «Ich würde mit dir gehen, ja.»
«Das kannst du nicht tun. Das darfst du nicht tun. Ich würde es nicht zulassen. Nein, du bleibst hier.» An Zweideutigkeit von mir gewöhnt, senkte sie das Gesicht, als wäre sie geohrfeigt worden. Und da versuchte ich, mich zum Weinen zu bringen – mit den schwachen Ergebnissen, von denen du bereits weißt.
Alicia blieb in der peinlichen Woche zwischen ihren Enthüllungen und meiner Abreise unsichtbar. Das wäre nicht nötig gewesen: die sehr vulgäre Gründlichkeit dieses ihres zweiten Verrats – im Gegensatz zu den absichtlichen Unklarheiten bei ihrem ersten Treuebruch – hatte eine herrlich befreiende Wirkung auf mich; denn bis dahin hatte ich nicht ganz die Hoffnung aufgegeben, daß sie mich eines müßigen Nachmittages in ihr Bett mit seinem gesteppten Sonnendurchbruch zurückholen würde. Es wäre so leicht für sie gewesen und leicht auch für mich, dem triumphierenden trägen Körper, den sie aus der Krypta meines Alltags hervorgerufen hatte, wieder zugesellt zu werden. Jetzt, da sie mir meinen Verrat (nämlich daß ich bei Jane und im Amt und im Pfarrhaus geblieben war) voll heimgezahlt hatte, war ich quitt mit meiner Schuld und meiner Hoffnung. Was es nun noch an Schuld gab, konnte sie selbst auf die Schulter nehmen.
Ah, ich scheine in jenem verlorenen Weinland die Haltung eines hochmütigen weißen Jägers einzunehmen, der mit entbürdeten Händen durch den Dschungel streifen möchte; das Leben, das ich betrübt beschrieben habe, ist wie ein Aufbruchsort, an dem ich damit beschäftigt bin, verschiedene Frauen als Trägerinnen für die große Schuldenfracht anzuheuern, die mein Gepäck sind. Jane trug ein Stück der Last dafür, daß sie mich nicht so verehrte, wie eine Geliebte oder Maria Magdalena es getan haben würde. Frankie trug etwas dafür, daß ich durch ihre große Verehrung ein desexifizierter Engel geworden war. Und jetzt nahm Alicia, der gegenüber ich mich belastet fühlte, weil ich sie nicht zu meiner Ehefrau machte, während sie
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