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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ächzte leicht, wie sie es am Rande der Erschöpfung tat oder wenn vor einer Beratung meine Gedanken auf ihr lasteten. «Nach dem wenigen, was ich von Ihnen beiden weiß», sagte ich zu Harlow, «sind Sie verheiratet. Sie hat die Erfahrung gemacht, daß sie das Schlimmste, was sie fühlt, aussprechen kann, ohne daß die Welt deswegen untergeht. Sie wird sich beruhigen. Wen hat sie schon, außer Ihnen? Was sie auch tut oder sich von einem anderen Mann oder von der Freiheit selbst erträumt, es ist alles nichts Ernstes, verglichen mit ihrer Verbindung zu Ihnen. Sie weiß das. Sie ist Christin; sie weiß, wo die Mitte ist. Sie sind die Mitte. Lassen Sie sie um Sie kreisen, einerlei wie weit sie ausschwingt. Lieben Sie sie, hören Sie ihr zu. Sie liebt Sie – womit ich nichts weiter meine, als daß Sie, und sonst niemand von uns, Schwerkraft für sie haben.»
    Trotz all meiner Müdigkeit wurde mir klar, daß ich mit diesem letzten Satz meine so sorgfältig erfundene Unschuld halbwegs Lügen gestraft hatte; doch dann merkte ich daran, wie er mir bewegt und verschwörerisch und schmerzhaft zum Abschied die Hand schüttelte, daß er meine Behauptung als fachmännische Regelung akzeptiert hatte, daß Frankie ihm mit Sicherheit ihre Liebe zu mir verraten hatte, daß er nicht auf irgendeine Absolution, sondern auf eine Arbeitsbasis ausgewesen war, die er nun hatte, und daß er mir dafür danken wollte. Und ich hatte das Gefühl, daß durch diesen kameradschaftlichen Händedruck die Auslieferung seiner Frau und der Verrat an ihr besiegelt wurde; und ich hatte sie an ihren Ehemann verkauft, während sie um Flucht gefleht hatte, um Befreiung von Schwerkraft und Ehrbarkeit und Pflicht. Es war meine Pflicht, so zu handeln. Wie traurig war mir zumute, als ich Harlow davongehen sah, mit den breiten Schultern eines jungen Soldaten, der sich soeben bei einer einfachen und über die Erfordernisse ihres Gewerbes zärtlichen Hure wacker gehalten hat.
     
    Gerry, Frankie, Julie, Barry – zu wie kleinen Gestalten hat die Entfernung sie zusammengestutzt! Sie kommen mir wie Puppen vor, mit denen ich spielen, die ich bald in dieser, bald in jener obszönen Stellung aufbauen kann. Ich stecke die Frankie-Puppe in ein Nachthemd, lege sie ins Bett, spreize ihre dicht aneinander liegenden Beine und setze die Gerry-Puppe auf sie, während die Julie-Puppe und die Barry-Puppe den traumlosen Schlaf der gesicherten, anorganischen Materie schlafen. Ich kann auf die kopulierenden Puppen hinabblicken, indem ich ein Stück des Daches, nicht größer als ein Schachbrett, abhebe. Die gemalten Augen der Frankie-Puppe starren blind zu mir auf. Ich bin zu groß, um sie genau sehen zu können. Ist es unmöglich, ideale und streng geprüfte Leserin, daß ich, indem ich mich in diesen riesigen viereckigen Staat begab, aus meinem kleineren, geschäftigeren kommend, ein Riese unter Riesenhunden und Wolken und Kandelaberkakteen wurde? Daß selbst Briefe, wenn sie im Postsack die Staatengrenze überqueren, sich ausdehnen, bis sie unseren Größenverhältnissen entsprechen? Und daß jenes ominöse Klopfen zu meinen Füßen in der Boeing 707, das ich einen Herzschlag lang für den Beginn eines unaufhaltsamen Sturzfluges hielt, nur der schartige Paß unserer Umwandlung war, meine Quantensprung-Geburt als Titan?
    Ms. Prynne, im Namen von uns Jungen in dieser besonderen Jungenstadt möchte ich Ihnen für den gestrigen Ausflug zu der Dinosaurierknochen-Fundstelle danken. Die Busfahrt war ein großer Spaß mit dem Gesinge und den Neckereien, aber schon die Ankunft hatte etwas von der beabsichtigten erzieherischen Wirkung. Wer hätte gedacht, daß die Grundmasse, die Matrix, härter wäre als die Knochen selbst, und daß das Verfahren so aussieht, als bohrte man den Zahn weg, um die Füllung freizulegen. Und das Gewirr dieser mächtigen Knochen! – so schwer zu entziffern wie die in unseren Herzen aufgehäuften Spaghetti von Beweggründen und Empfindungen!
    Sandkörner, eines ums andere, machen am Ende einen Äon aus. Doch der feierliche und unerträglich weite Ausblick in die Zeit, der sich vor dem Panoramafenster dieser Fossilien auftat, wurde getrübt durch die geräuschvolle Betriebsamkeit der jungen Paläontologen, die Laborkittel über Jeans trugen. Eine Münze, dicht vor das Auge gehalten, verfinstert die Sonne. Auf wie vielfältige Weise uns auch demonstriert wird, daß unser Leben bedeutungslos ist – wir können es nur leben, als wäre es nicht da. Erlauben Sie

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