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Der Sonntagsmonat

Der Sonntagsmonat

Titel: Der Sonntagsmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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denn, daß ich den bröckligen Zehengliedern der Thekodonten und dem verzerrten Knochenkamm des Korythosaurus im Interesse der Wissenschaft einige aus diesem sedimentären Bericht herausgezogene Knochen hinzufüge.
    Alicias Patellae, die sich bleich und kantig vorschoben, wenn sie auf der Lehne der Kirchenbank saß und ebenso wenn sie auf dem Schemel in ihrem Wohnzimmer saß.
    Frankies Scapulae, die hell schimmerten, als sie im Motel anbot, auf mir hinabzugleiten, um mich zu liebkosen.
    Neds Humerus, den ich flüchtig im Hoff { * } des Pfarrhauses ergriff.
    Gerrys Mandibel, die sich in meinem Büro verkrampfte und entkrampfte.
    Janes Pubis, das sich über ihrem in seinem Arbeitszimmer sitzenden Vater an meinem rieb. («Möge Deine Liebe meine Knochen betauen», fällt mir dabei ein, einer der erregteren Schlußsätze des heiligen Augustin, wenn ich mich recht erinnere.)
    Meines Vaters Schädel, größer und seltsamer geformt als der eines Baluchitheriums.
    Meines ältesten Sohn Rückgrat (im übertragenen Sinne).
    Und meinen eigenen lästigen, sterblichen «Knochen», der kommt und geht. Wer oder was tut das nicht, nicht wahr. Ms. Prynne? Oh, Sie sind unser aller Matrix. Faser um Faser schwächen Sie uns und spotten zu Recht über das Getöse windiger Bluffer, wie ich einer bin.

23
    Schlief nicht gut letzte Nacht. Brennen bereits heimwärts gerichtete Gedanken in mir? In der ersten Woche schlief ich so gut wie überhaupt nicht, wie mir schien. Ich legte mein Haupt in einem einsamen Plastik-Summen nieder, das sich in einer Flughöhe von 34.000 Fuß mit 550 Meilen in der Stunde westwärts bewegte. Dann hörte, Körnchen um Körnchen, dieser Ort auf, sich zu bewegen, wurde ein Ort, und jetzt besteht die Gefahr, daß er der einzige Ort geworden ist. Und dieser Bericht der einzige Bericht, und du, mein Leser, meine einzige Liebe.
    Laß mich dir ein paar Golfgeschichten erzählen. In der ersten Woche meines Aufenthalts, als die Konturen des Golfplatzes noch nicht hell in mein Hirn getüpfelt waren (ich habe in diesen Tagen viel über Liebe nachgedacht, darüber, wie ich das Wort haßte und es ständig wieder gebrauchte, und mir fällt ein – eine der vergänglichen Offenbarungen der Schlaflosigkeit –, daß wir, ehe wir etwas lieben, uns so etwas wie eine Nachbildung davon machen müssen, ein Erinnerungsgebilde aus flüchtigen Eindrücken und Augenblicken, das alsdann seine äußere, ziemlich langweilige Erscheinung durch eine sternbildhafte Verinnerlichung ersetzt, phosphoreszierend, bequem tragbar und am Ende unempfindlich gegen den rüden Raubbau der Wirklichkeit), spielte ich, ganz allein, die ersten neun Löcher, während meine Gefährten in ihre Zimmer gingen, zu ihren Pillen, ihren Gewissensbissen um ein Nickerchen zu halten, und auf dem siebenten Fair, als die unermeßliche Musikmuschel des Wüstenhimmels auf der einen Seite des Orchesters von gedämpftem Lila widertönte und auf der anderen Seite ein rosa Wolkentupfen-Pizzikato auf Zehenspitzen dem Beckengetöse eines feurigen Sonnenuntergangs entgegenging (gib nicht auf, es geht um meine Therapie, nicht um deine), kam ich vom Hügel ab mit einem soliden, aber zu kräftigen Drive und, aus einer mißlichen Lage heraus, durch einen Schlag mit dem Eisen 5, der nach dem unerwartet guten Schlag glatt über die Fahne ging und vom Grün sprang. Du erinnerst dich gewiß, wie die Böschung auf dieser Seite eine kleine Schulter bildet und oben mit einer harten, steinigen Bodenkruste überzogen ist, die jedesmal zu einem schrammenden Schlag einlädt. Aber eine Macht, die stärker war als ich nahm mit meinen Händen ein Eisen 7 aus dem Golfsack, stellte sich munter den kurzen Schlag aus dem Handgelenk vor, schwang munter und sah zu, wie der Ball vom Schlägerkopf abschnellte; er hüpfte über einige von Regenwürmern aufgeworfene Erdhäufchen (das Platzkomitee läßt die Würmer unter hohen Kosten eigens aus Brasilien einfliegen), traf den Fahnenstock mit einem himmlischen dong und fiel ins Loch. Ein Birdie drei. Freude, fast zum erstenmal seit ich Frankies Fuß nackt auf dem Teppich im Motel erblickt hatte, entlastete mein Herz. Das nächste Loch ist dann ja dieses sehr kurze Par drei, nur 100 Meter nach der Scorekarte. Ich nahm ein Eisen 8, und als ich den Ball gelöst anstieß, sah ich ihn in Gedanken an der Fahne aufschimmern. In Wirklichkeit sah ich ihn dann seitwärts in das undurchdringliche Rough von Salbei und Kreosotbüschen zur Rechten fliegen. Und der nächste

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