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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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zu ihnen.
    »Harry …«, sagte Geiger beinahe im Flüsterton. Harry nahm den Aktenkoffer, betrat wieder den Aufzug, zog leise das Gatter zu und fuhr in die Tiefe. Geiger wies auf eine Tür neben einem quadratischen Spiegel an einer Wand, und Hall folgte ihm hindurch in einen Beobachtungsraum, der genauso eingerichtet und ausgestattet war wie der Raum in der Vorstadt. Sie wandten sich dem Einwegspiegel zu und beobachteten die Kreisfahrt des Rollstuhls.
    »Desorientierung?«, fragte Hall.
    »Richtig. Der Rollstuhl hat eine Zeitschaltung«, sagte Geiger. »Fünf Minuten, dann fange ich an. Möchten Sie etwas trinken?«
    Hall blickte auf die Chrombar.
    »Wein. Roten.«
    Geiger ging zur Bar und schenkte ihm einen Spätburgunder ein.
    »Weiß Ihr Klient, dass Sie den Sohn entführt haben?«, fragte er.
    »Mein Klient will sein Gemälde zurück. Wie ich das schaffe, überlässt er mir.«
    Geiger reichte ihm das Glas. Die Lampen ließen die Flüssigkeit rot funkeln. Hall ließ den Wein im Mund kreisen, ehe er ihn hinunterschluckte. Er nickte zufrieden.
    »Wissen Sie sonst noch etwas über ihn, Mr. Hall?«, fragte Geiger. »Bis auf das, was in Ihrem Bericht stand.«
    »Nein. Er wohnt bei seiner Mutter. Ich habe sein Handy. Es gab zwei Anrufe in den letzten vierundzwanzig Stunden, einer mit der Vorwahl von New Hampshire und einer mit der von Manhattan. Wir vermuten, dass dieser zweite Anruf von Matheson kam. Wir haben die Geige in seinem Zimmer in Mathesons Wohnung gefunden. Ich dachte, vielleicht nutzt sie Ihnen.«
    »Gab es sonst noch etwas in dem Zimmer?«
    »Mir ist nichts aufgefallen. Ist es denn wichtig?«
    »Alles ist wichtig, Mr. Hall.«
    ***
     
    Harry saß auf dem Fahrersitz des Lieferwagens. Er hatte begonnen, das Geld zu zählen, aber aufgehört, als mit der stickigen Abendluft tiefe Niedergeschlagenheit über ihn gekommen war. Als Geiger den Jungen aus dem Schrankkoffer gekippt hatte, war es für Harry ein echter Was-stimmt-nicht-an-diesem-Bild?-Augenblick gewesen. Auch wenn er seine Ethik immer wieder an die gegebene Situation anpassen konnte, fiel es ihm schwer, Geigers Abkehr von allem, was er bisher getan hatte, zu begreifen. Harry war zu einem Mond geworden, der Geiger auf einer konstanten Umlaufbahn umkreiste, zugleich abhängig und gesichert von Geigers Schwerkraft, und die leiseste Veränderung in Geigers Regelsatz führte bei Harry zu einem Schwindelanfall. Zu beobachten, wie Geiger etwas Unerwartetes tat, war so, als würde die Freiheitsstatue einem plötzlich zuzwinkern.
    Harry seufzte und zählte weiter das Geld.
    ***
     
    Der Rollstuhl mit dem blinden Passagier setzte die Kreisfahrt fort. Noch immer drang der klagende Warnlaut des Nebelhorns aus den Wänden. Hall schaute wieder auf die Uhr.
    »Nur noch ein bisschen«, sagte Geiger. »Ein Laie könnte glauben, dass der Wille von Kindern leicht zu brechen ist, aber das ist nicht unbedingt so. Im Zusammenhang mit intensiver Angst ist ein Kind fähig, sich tief in sich selbst zurückzuziehen, sodass es nicht mehr ansprechbar ist – oder zu lügen, und zwar völlig überzeugend.« Er schenkte sich ein Glas Wasser ein. »Mr. Hall, wenn Sie sich um die Zeit Gedanken machen, wäre es sinnvoll, Sie würden mir sagen, worum es wirklich geht. Es würde mir meine Arbeit erleichtern und sie beschleunigen. Es hängt ganz von Ihnen ab.«
    Hall beobachtete, wie Geiger das Wasserglas leerte. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine damit, dass Sie lügen, Mr. Hall. Woher ich das weiß? Es ist mein Beruf, zu erkennen, ob jemand mir die Wahrheit sagt oder nicht.«
    Hall trank von seinem Wein. »Sie brauchen sich nur darüber Gedanken zu machen, ob Sie alles Notwendige tun, um den Jungen zum Reden zu bringen.«
    »Gut. Ich versuche nur zu helfen.«
    Geiger sah zu dem Jungen hin. Für einen Augenblick änderte sich für ihn die Natur der Zeit und ihre Wahrnehmung. Anstatt unaufhörlich und kontinuierlich zu verrinnen, verfestigte sie sich zu isolierten Augenblicken. Jeder besaß einen eigenen Anfang und ein eigenes Ende – wie die flackernden Bilder eines Filmes, die man einzeln betrachtet, während sie zugleich ineinanderfließen.
    »Ich glaube, es ist so weit«, sagte er.
    Seine rechte Faust schoss vor. Seine Knöchel prallten einen Zoll unter dem Brustbein gegen Halls Oberkörper und trieben ihm die Luft als lautes, explosionsartiges Grunzen aus der Lunge. Hall taumelte rückwärts gegen die Wand, sank auf die Knie undhielt sich den Hals. Seine Brust hob und senkte

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