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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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fünftausend.«
    Harry beobachtete, wie Geiger in einen Zustand überging,den er bei sich »Totenstarre« nannte; es war ein Zustand, der Geiger befiel, wenn er über irgendetwas ernsthaft nachdachte. Die Augen blinzelten nicht; die Brust hob und senkte sich nicht; er stand vollkommen reglos da. Dann schien ihn ein unmerkliches Blinzeln ins Leben zurückzuholen.
    »Bringen wir den Jungen auf den Stuhl«, sagte Geiger.
    Hall hob verwundert die Brauen. Mit fragendem Blick wandte er sich Harry zu, als hätte Geiger in einem unverständlichen Dialekt gesprochen und Harry wäre der Dolmetscher. Harry erwiderte Halls Blick schweigend. Er hatte noch nie einen Jones unter dem »Mindestalter« geliefert, hatte nicht einmal die Möglichkeit in Betracht gezogen. Dass Geiger ihn zum letzten Mal überrascht hatte, lag sehr lange zurück.
    »Also gut«, sagte Hall. »Prima.«
    Er bückte sich über den Schrankkoffer und hob den Deckel, und Harry beugte sich vor und fing den Briefumschlag auf, ehe er zu Boden gleiten konnte.
    Geiger blickte in den Behälter. Mathesons Sohn lag auf der Seite. Handgelenke und Fußknöchel waren mit schmalen Kabelbindern aus Plastik gefesselt. Drei fünf Zentimeter breite Streifen aus silberfarbenem Isolierband waren ihm um den Kopf gewickelt: einer über den Augen, zwei über dem Mund. Das lange, wellige blonde Haar war nass und klebte an Stirn und Wangen wie Seetang an einem Strand. Er trug ein blaues T-Shirt, eine silberfarbige Turnhose und rot-schwarze Nikes. Die Haut seiner schlanken Arme und Beine war gebräunt, und sein Kopf ruhte auf einem Violinkasten. Er schien zu schlafen – oder im Koma zu liegen.
    »Sein Name?«, fragte Geiger.
    »Ezra.«
    »Haben Sie ihm etwas gegeben?«
    »Nein. Aber er hat sich ganz schön gewehrt.«
    Geiger kniete sich neben den Koffer. Harry fand, dass seine Bewegung etwas Bittendes an sich hatte.
    »Ezra …«, sagte Geiger leise wie ein Vater, der sein Kind aus dem Mittagsschlaf weckt. Der blind und stumm gemachte Junge zeigte keinerlei Reaktion auf seinen Namen. »Ezra … es ist Zeit, dass du aufstehst.« Geiger richtete sich auf, packte dabei den Griff am Ende des Schrankkoffers und riss ihn hoch. Der Koffer stand plötzlich auf dem anderen Ende, und der Junge und der Violinkasten purzelten zu Boden. Harry trat unwillkürlich zwei Schritte zurück und starrte auf den stöhnenden Jungen.
    Geiger ergriff den Kabelbinder, der um die Fußgelenke des Jungen lag, und schleifte Ezra über den Boden. Der Junge wand sich wie ein Fisch am Haken. Erstickte Schreie drangen unter dem Isolierband hervor. Am Rollstuhl angekommen, packte Geiger den Jungen unter den Achseln und wuchtete ihn grob auf den Sitz. Dann schnallte er Ezras Brust sowie Hand- und Fußgelenke mit den Riemen des Stuhls fest.
    Hall beobachtete das Geschehen. Auf seinem Gesicht lag ein Hauch von Bewunderung.
    »Ezra«, sagte Geiger, »du machst jetzt eine Fahrt. Du wirst dich nicht wehren. Du bleibst ganz still auf dem Rollstuhl sitzen. Es dauert nicht lange, dann werde ich dir Fragen nach deinem Vater stellen, und du wirst mir alles sagen, was ich wissen muss.«
    Geiger hatte den Jungen jetzt festgeschnallt und ließ den Nacken knacken, indem er den Kopf erst nach links, dann nach rechts drehte. »Ich sage dir die Wahrheit, Ezra, und auch du wirst mir die Wahrheit sagen. Deshalb sind wir hier. Bei jeder Antwort, die nicht ganz die Wahrheit ist, werde ich dir wehtun. Dass du noch ein Kind bist, spielt dabei keine Rolle. In diesem Raum wirst du alterslos. So und nicht anders ist es. Nicke, wenn du verstanden hast.«
    Ein nasses Geräusch, etwas zwischen einem Schluchzer und einem Gurgeln, drang aus der Kehle des Jungen, und sein Kopf machte eine heftige Auf- und Abbewegung. Harry räusperte sich unwillkürlich.
    »Gut«, sagte Geiger. Er legte einen Schalter am Rollstuhlum, woraufhin dieser sich über die schwarzen Bodenfliesen in Bewegung setzte. Geiger ging zu einer Wand und drückte einen Knopf. Aus den Lautsprechern drang das tiefe Dröhnen eines Nebelhorns. Das Geräusch ertönte und verstummte in zufälliger Abfolge. Als der Rollstuhl sich der Ecke näherte, bog er sanft nach links ab, folgte seinem neuen Kurs und durchquerte den ganzen Raum, nur Zentimeter von den Wänden entfernt. Der Lärm drang als verzerrtes Verhallen, als anwachsendes Dröhnen oder als plötzliche seitliche Hornstöße auf den Jungen ein. Er bebte in seinen Fesseln.
    Während Hall und Harry dem Schauspiel zusahen, ging Geiger

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