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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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sich heftig. Ein Geräusch wie von einer Bügelsäge, die ein Kupferrohr durchtrennt, stieg ihm die Luftröhre zur Kehle hoch, während sein Zwerchfell versuchte, sich von dem Krampf zu befreien und wieder Luft einzuziehen.
    Geiger hockte sich neben Hall. Vom Spätburgunder rosa gefärbter Speichel blubberte Hall aus dem Mund. Er öffnete die zitternden Lippen, um zu sprechen.
    »Ähnfff … ääähnfff …« Mehr brachte er nicht heraus.
    Das Nebelhorn verstummte, und Geiger blickte durch das Fenster. Der Rollstuhl wurde langsamer und blieb stehen; der Junge rührte sich nicht. Geiger ging wieder auf ein Knie. Hall schien nicht imstande zu sein, den Kopf zu drehen, aber seine feuchten Augen schwenkten in den Höhlen herum, bis sie Geigers starrem, ausdruckslosem Blick begegneten.
    »Mr. Hall«, sagte Geiger.
    Tränen liefen Hall die Wangen hinunter und ließen ihn todtraurig aussehen, als würde er den harten Burschen nur spielen und als hätte Geiger ihn mit irgendeiner gemeinen Bemerkung tief gekränkt.
    »Fffff … fuck«, keuchte er.
    »Ich weiß nicht, wer Sie sind, Mr. Hall«, sagte Geiger, »aber ich weiß, wer Sie nicht sind.«
    An der Oberfläche zeigten Geigers Worte eine raue Patina, unvertraut und ein wenig verstörend. Die außerplanmäßige Gewaltanwendung hatte seinen Puls und seine Atemfrequenz erhöht und die Topografie seiner Stimme verändert.
    »Wollen Sie mir sagen, wer Sie wirklich sind?«, fragte Geiger.
    Hall ließ den Kopf hängen, während er die Schultern dehnte. Verzweifelt suchte sein Körper nach physischer Erleichterung und nach einer Möglichkeit zu atmen. Er hob wieder den Kopf; er blinzelte, hustete, blinzelte erneut, als gäbe er eine Antwort in einem Geheimcode, von dem er wusste, dass Geiger ihn kannte.
    Geiger drückte die offene Hand fest auf Halls Gesicht, packtezu und knallte den Schädel des Mannes gegen die Wand. Ein hässliches Knacken kündete davon, dass irgendetwas brach – Holz oder Knochen oder beides. Hall riss mit einem Ausdruck des Erstaunens die Augen auf, ehe er sie schloss. Geiger hielt Halls Kopf fest und beobachtete jeden einzelnen, von der Zeit abgetrennten, isolierten Augenblick. Ein Fehler in seinem Gesichtssinn verringerte die Tiefe der Bilder, die sein Gehirn erreichten, und machte sie flacher als gewohnt, wie Schnappschüsse mit einer Polaroidkamera. Als er schließlich die Hand wegnahm, kippte Hall zur Seite und prallte auf den Boden. In der Wand war eine Beule so groß wie eine Grapefruit, zwei, drei Zentimeter tief, und am gesplitterten Holz hafteten rote Spritzer.
    Halls Hosentaschen enthielten das Übliche – eine Brieftasche mit Kreditkarten von American Express und Diners Club, ungefähr sechshundert Dollar Bargeld, einen Führerschein des Bundesstaates Pennsylvania sowie eine Versicherungskarte für ein silberfarbenes 2006er Lexus-Coupé. In den Jacketttaschen steckten eine Packung Camel, ein Feuerzeug und zwei Handys – ein Blackberry und ein Motorola Droid, von dem Geiger annahm, dass es dem Jungen gehörte. Ein schwarzes, an den Hosengürtel geclipptes Holster enthielt eine 9-mm-Pistole, eine Taurus Millennium.
    Geiger steckte sich die Handys in die Taschen und stand auf. In seinen Augen pochte sein Puls und erzeugte winzige Sprünge in seinem Sichtfeld, was einen Ruck bei Bewegungen von Gegenständen und Oberflächen bewirkte. Er legte die Pistole auf die Bar und ging durch die Tür in den Sitzungsraum. Geiger hatte ein leicht rauchiges Aroma in der Nase, und sein Atem kam in langen, kräftigen Stößen wie bei einem Marathonläufer, der im Anfangsstadium des Rennens Geschwindigkeit aufbauen will.
    Geiger ging zu dem Jungen. Dabei war er sich in aller Klarheit bewusst, dass er zum allerersten Mal, solange er zurückdenken konnte, ohne Plan arbeitete, nur von einem Moment zum nächsten. Doch alle Gedanken und Gefühle wurden von dem reinen, unbelasteten Empfinden verdrängt, sich auf ein unbekanntes Ziel zuzubewegen. Dieses Empfinden war seinem Bewusstsein fremd, doch aus einem anderen Reich war es ihm bestens vertraut: aus seinem Traum.
    Der Junge hing schlaff auf dem Stuhl. Sein Kopf rollte hin und her. Geiger hatte die Raumtemperatur auf zwanzig Grad eingestellt, aber der Junge schwitzte. Shirt und Shorts klebten ihm feucht am Leib, und auf seiner nackten Haut lag der grünliche Schimmer der Angst. Geiger beobachtete, wie die Halsschlagader des Jungen unter der beschleunigten Herzfrequenz anschwoll und

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