Der Spezialist: Thriller
Schultern.
Die Frau sah ihren Sohn und rannte los.
22
Mr. Memz’ Geschäfte gingen schlecht. Eine Hitzewelle hatte die Leute von der Straße vertrieben. Hinzu kam, dass die Stadt begonnen hatte, die Trümmer von Geigers Haus wegzuräumen. Ein Sperrzaun mit einem Tor darin war vor dem Grundstück errichtet worden, und die Abrissmannschaft hatte einen Streifen vom Gehsteig abgeteilt.
Mr. Memz zog eine halb gerauchte Zigarette aus der Schachtel und zündete sie mit seinem Zippo an. Als der magere Kerl mit dem Gehstock vor seinem Tisch stehen blieb, dauerte es ein paar Sekunden, bis Mr. Memz ihn wiedererkannte.
»Harry, richtig? Ja, Sie sind Geigers Freund Harry. Entschuldigung, aber der Gehstock hat mich durcheinandergebracht.«
Matt lächelnd hob Harry den Stock aus dunklem Kirschholz und zeigte Mr. Memz den geschnitzten Griff. »Sieht fein aus, was?«
»Ich wünschte, ich könnte einen gebrauchen. Das hat wirklich Stil.« Mr. Memz blickte hoffnungsvoll zu Harry hoch. »Haben Sie ’ne Zigarette?«
»Nein, tut mir leid.«
»Verdammt. Kaum jemand raucht noch heutzutage.«
Harry ließ den Blick über die Straße schweifen; seine neue Gewohnheit. »Wie geht das Geschäft?«
»Scheiße, Mann, welches Geschäft?«
Als sie ein lautes Knirschen hörten, drehten sich beide um. Ein Schaufelbagger hatte eine Ladung Geröll von der Hausruine auf einen Kipplaster geschüttet.
Die beiden wandten sich wieder ab und blickten einander an.
»Er ist tot«, sagte Harry. »Ertrunken. Im Hinterland, vor fünf Wochen.«
Mr. Memz verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »War es diese Geschichte am vierten Juli? Die auf dem Fluss?«
»Ja.«
Ein paar Sekunden lang saß Mr. Memz vollkommen reglos da; dann schlug er mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass die Bücher ein Stück in die Luft hüpften.
Harry seufzte. »Ich wollte es Sie nur wissen lassen.« Er pochte mit dem Stock auf den Gehsteig. »Tja, ich muss weiter. Ich hab noch was vor.«
Mr. Memz nickte mit leerem Blick. »Okay. Wir sehen uns.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Okay. Dann nicht.«
Harry schob die Hand in die Tasche, zog einen Umschlag heraus und legte ihn auf den Tisch. »Ich wollte nur ein paar lose Enden beseitigen.«
Mr. Memz blickte auf den Umschlag. »Was ist das?«
»Vielleicht hilft es Ihnen, sich über Wasser zu halten, bis die Geschäfte wieder besser gehen. Jetzt muss ich aber wirklich los, Mann. Passen Sie gut auf sich auf.«
Mr. Memz sah Harry nach, wie er Richtung Amsterdam Avenue davonging. Dann fiel sein Blick wieder auf den Umschlag. Er nahm ihn in die Hand und zog den Inhalt halb heraus. Langsam blätterte er mit den Fingerspitzen durch zwanzig Fünfhundert-Dollar-Scheine.
»Meine Güte …«
Er drehte den Kopf und schaute die Straße entlang. Auf dem Gehsteig waren ein Dutzend Leute unterwegs – meist Fremde, nur wenige bekannte Gesichter –, aber Harry war verschwunden.
***
Ein Taxi hielt an der Ecke 110th Street und Malcolm X Boulevard. Harry stieg aus und ging zum Nordende des Central Parks. Das Wasser des Harlem Meer lag still und schiefergrau da; ein halbes Dutzend Stockenten paddelten ziellos in Ufernähe umher.
Harry wich den Inlineskatern und Skateboardern aus und setzte sich auf eine Bank am Ufer.
»Harry?«, fragte der Mann neben ihm.
»Tut mir leid, dass ich zu spät komme«, sagte Harry, wandte sich David Matheson zu und schüttelte ihm die Hand.
»Schön, Sie endlich kennenzulernen.«
Harry blickte Matheson an und sah dann wieder weg. Er stellte den Gehstock zwischen seine Beine und drehte ihm am Griff hin und her; eine andere neue Gewohnheit.
»Sagen Sie mir eins, Harry. Wie haben Sie ›Bigbossman‹ gefunden?«
Harry zuckte die Schultern. »Ich bin in Geigers IMs hineingekommen. Über meinen PC.«
»Wirklich? Das ist ganz schön schwierig.«
»Es hat eine Weile gedauert. Aber ich habe mir ein paar Programme zusammengeschustert.«
Aus dem Augenwinkel sah Harry jemanden in seine Richtung rennen. Er spannte die Muskeln, und seine Hände packten den Stock fester, doch dann löste sich die Anspannung, als der Jogger vorbeirannte.
»Wie geht es Ezra?«, fragte er.
»Er fängt allmählich an, die Dinge abzuarbeiten, aber er ist in keiner guten Verfassung. Ich habe ihn nur einmal gesehen – heimlich, und dann auch nur ein paar Stunden mit seiner Mutter in einem Hotel. Ich darf nicht in seiner Nähe sein, wo man es jetzt so sehr auf mich abgesehen hat. Ich bin nie länger als einen oder
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