Der Spezialist: Thriller
Werkzeugen, angefangen bei simplen Zangen zum Entfernen von Finger- und Fußnägeln bis hin zu komplizierten Konstruktionen wie der Birne, ein mit Scharnieren versehenes und oft kunstvoll graviertes Werkzeug aus Stahl, das in die Vagina oder den Anus eingeführt und dann langsam durch Drehung eines Schraubgriffs gedehnt wurde. Der Katalog war ausufernd: das Rad, der Gespickte Hase, der Spanische Bock, die Papageienschaukel, das Strappado. Sie alle, aber nicht nur sie, stammten noch aus vorindustrieller Zeit.
Geiger war zu dem Schluss gelangt, dass Folter keine Verirrung Einzelner darstellte. Wenn es erforderlich oder zweckdienlich erschien, hatte der Mensch stets seine eigenen Gesetze übertreten oder seine Überzeugungen verraten, um sein Vorgehen gegen diejenigen zu legitimieren, die diesen nicht anhingen.
Nach langer Recherche und Überlegung hatte Geiger eine Standardvorgehensweise entwickelt. Er arbeitete grundsätzlich nur auf Empfehlung. Wenn Firmen oder Einzelpersonen seine Dienste in Anspruch nehmen wollten, erhielten sie das Passwort und wurden auf die Website verwiesen. Harry, sein Partner, bearbeitete die Anfrage sofort; wenn er keine Ablehnungsgründe sah, bat er den potenziellen Klienten, erste Informationen über den Jones einzureichen. Dann begann Harry mit seinen Recherchen und erstellte innerhalb von zwei Tagen ein detailliertes Profil.
Mit Harry war nicht leicht umzugehen, aber niemand verstand sich besser auf diese Arbeit. Er fand Dinge über einen Jones heraus, die dessen Ehepartner oder der beste Freund nichteinmal ahnten, ja, die der Jones nicht einmal selbst wusste. Sobald Geiger die Akte gelesen hatte, ließ er Harry wissen, ob sie den Auftrag annahmen.
Geiger hatte drei Regeln: Er arbeitete nicht mit Kindern – allerdings hatte Harry diesbezüglich noch nie eine Anfrage erhalten. Ebenso wenig arbeitete er mit Menschen, die in der Vergangenheit Herzprobleme gehabt hatten. Und er arbeitete nicht mit Personen über zweiundsiebzig, weil Studien zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls ab diesem Alter in unverantwortbarem Ausmaß ansteigt.
Allerdings gab es eine Grauzone, den »Asap«, kurz für as soon as possible – einen Eilauftrag also. Geigers logische Schlussfolgerung aus dem Leitsatz »Alles ist wichtig« lautete: Ein Jones ist nicht die perfekte Summe seiner (oder ihrer) Teile. Deshalb lehnte Geiger oft ab, wenn ein Klient einen »Asap« wollte, denn bei der Durchführung eines Auftrags gab es sehr viel zu berücksichtigen – Körpersprache, stimmliche Reaktionen, Tonfall, Gesichtsausdruck. Es war ein nie abreißender Strom an Informationen, der Geigers Entscheidungen über das weitere Vorgehen beeinflusste, und ein falsches Kalkül, eine falsche Schlussfolgerung, ganz gleich, wie winzig oder zweitrangig, konnte eine Sitzung zum Scheitern bringen oder sogar ein Loch in sein privates Universum reißen. Deshalb bevorzugte es Geiger, von innen nach außen zu arbeiten und einem Plan zu folgen, der auf Harrys Recherchen beruhte.
Einige Profis, wie Dalton zum Beispiel, arbeiteten von außen nach innen und wendeten Brutalität entschlossener und direkter an. Bei diesem Vorgehen konnte sich der Klient nicht sicher sein, in welchem Zustand sich der Jones am Ende der Sitzung befand, auch wenn es manchmal als bedeutungslos angesehen wurde.
Wie jeder, der im IR-Geschäft tätig war, hatte auch Geiger eine Reihe von Geschichten über Dalton gehört. Die berühmteste stammte aus der Zeit der Operation Desert Storm. Kuwaitische Polizisten hatten einen Handlanger Saddam Husseins aufgegriffen, der sich über die Grenze absetzen wollte. Nachdem sie den Iraker eine Woche lang bearbeitet hatten, ohne etwas aus ihm herauszubekommen, zogen sie Dalton hinzu und gaben ihm freie Hand. Solche Sitzungen nannte man ein »Norell«, von no release likely , » vermutlich keine Freilassung«; es bedeutete, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach unklug wäre, der Welt zu gestatten, den Jones noch einmal wiederzusehen, nachdem die Befragung beendet war.
Als Dalton dem Iraker die erste Frage stellte, grinste der nur, und Dalton schnitt ihm mit einem Rotationsmesser eine Lippe ab. Dann bearbeitete er den Jones mit einem Druckluftnagler – und der Jones erzählte Dalton alles, was er wissen wollte. Die Geschichte mochte unwahr sein, aber sie war die Grundlage für Daltons Karriere. Beim IR schadete es nicht, in dem Ruf zu stehen, man sei zu allem fähig, denn die meisten
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