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Der Spiegel im Spiegel

Der Spiegel im Spiegel

Titel: Der Spiegel im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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leer, das Nasenbein eingeschlagen. Die Narbe einer fürchterlichen Wunde teilte das Gesicht quer in zwei Hälften.
    «Sag ihm, er soll verschwinden», sagte der Mann, «und zwar sofort.»
    «Ja, natürlich», stammelte der Feuerwehrmann verwirrt, «ich dachte nur... wegen der Tasche... vielleicht müßte man eine Anzeige ... sicherlich ist doch allerhand drin... ich meine, wertvolle Dinge.»
    Die Frau sprach weiterhin mit geschlossenen Augen. «Sie haben's doch ticken gehört, nicht wahr?»
    «Ja ja», antwortete er, «den Wecker.»
    Sie schüttelte langsam den Kopf. «Eine Bombe. Was Sie da für mich herumgeschleppt haben, ist eine Bombe mit Zeitzünder. Sonst ist nichts in der Tasche.»
    Der Feuerwehrmann schluckte ein paar Mal, ehe er die Sprache wiederfand.
    «Aber ... aber sowas trägt man doch nicht stundenlang mit sich herum!»
    «Stundenlang?» wiederholte sie, und der Blinde lachte tonlos. «Sie sind wirklich ein echter Feuerwehrmann! Ich habe Ihnen doch gesagt: Sie kehrt immer zu mir zurück. Seit Jahren! Ich kann machen, was ich will. Manchmal war ich schon so erschöpft, daß ich...»
    «Aber um Gottes willen!» Die Stimme des Feuerwehrmannes überschlug sich. «Die Bombe kann doch jeden Augenblick explodieren!» «Richtig», sagte sie.
    «Und all diese Leute hier! Man muß das Ding sofort entschärfen!»
    «Versuchen Sie's», sagte sie. «Um die Bombe zu entschärfen, muß man die Tasche öffnen. Und wenn man sie öffnet, explodiert sie.» «Dann muß man sie eben wegschaffen!» «Suchen Sie sie nur!» antwortete die Frau. «Sie werden sehen, es hilft nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Man kann nur warten, bis es soweit ist.»
    Jetzt öffnete sie zum ersten Mal die Augen, die vom Weinen verschwollen waren.
    «Übrigens«, setzte sie leise hinzu, «sie war nicht für hier bestimmt, nicht für die Zwischenstation.»
    Noch während sie das sagte, ließ sich der Mann mit ihr von der Bank fallen, und beide wälzten sich auf dem Boden hin und her. Sie umklammerte seine Hüften mit ihren Beinen und schrie mit verdrehten Augen: «Ich will ankommen! Verstehen Sie denn nicht, ich will endlich ankommen! Sonst will ich nichts, nur ankommen!»
    In ihrer Raserei stießen sie einige Leuchter um, die Kerzen rollten über den wachsbespritzten Papiergeldboden, der sofort an mehreren Stellen zu brennen begann. Der Feuerwehrmann riß sich die Jacke vom Leib und schlug damit auf die Flammen ein, doch dadurch tränkte sich auch die Jacke mit flüssigem Wachs und fing ebenfalls Feuer. Nur mit größter Mühe gelang es ihm, den Brand zu ersticken. Als er sich aufatmend umsah, fand er sich allein auf der Empore. Mißmutig betrachtete er seine Jacke, die ruiniert und an mehreren Stellen angekohlt war. «Eigentlich», brummte er, «wollte ich hier ja nur umsteigen.»
    «Achttausendneunhundertsiebenundzwanzig ...» dröhnte der Lautsprecher, «achttausendneunhundertsechsundzwanzig ... achttausendneunhundertfünfundzwanzig ...
    Auf der anderen Seite, am Altar, war die Wunderbare Geldvermehrung inzwischen unbeeinträchtigt weitergegangen. Niemand aus der Menge des Bettelvolks hatte den Vorgängen auf der Empore Beachtung geschenkt. Auf einer Kanzel zur Linken des Altars stand jetzt ein ausgemergelter Greis. Eine ungeheure Hakennase in seinem Gesicht gab ihm das Aussehen eines Geiers. Er hatte sich eine Art Mitra aus Papier auf den Kopf gesetzt und predigte mit weitausholenden Armbewegungen.
    «Mysterium aller Mysterien - und selig ist, wer daran teil hat! Geld ist Wahrheit und die einzige Wahrheit. Alle müssen daran glauben! Und euer Glaube sei unverbrüchlich und blindlings! Erst euer Glaube macht es zu dem, was es ist! Denn auch das Wahre ist eine Ware und untersteht dem ewigen Gesetz von Angebot und Nachfrage. Darum ist unser Gott ein eifersüchtiger Gott und duldet keine anderen Götter neben sich. Und doch hat er sich in unsere Hände gegeben und sich zur Ware gemacht, auf daß wir ihn besitzen können und seinen Segen empfangen ...»
    Die Stimme des Predigers war hoch und schrill und im allgemeinen Lärm kaum zu hören. Der Feuerwehrmann kämpfte sich durch die Menge nach vorn. Überall, wo er brennende Kerzen in seiner Reichweite fand, löschte er sie aus. Erstaunte, verstörte und wütende Blicke trafen ihn. Er kümmerte sich nicht darum. Er fuhr in seinem Tun fort, obgleich er wußte, daß es sinnlos war, denn kaum war er vorüber, wurden die Kerzen wieder entzündet. Mehr und mehr bemächtigte sich seiner ein

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