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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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vage, wie sie aus dem Wasser gezogen wurde, begriff, dass sie auf einer Eisscholle lag, die den Fluss hinunterschoss, und konzentrierte sich lange Zeit nur noch darauf, nicht wieder abzurutschen.

    Irgendwann ließ das Wanken nach. Selbst mit allergrößter Anstrengung gelang es ihr nicht die Augen zu öffnen. Kälte hatte jedes Gefühl aus ihren Beinen vertrieben, sogar der Schmerz in ihrem Knie war zu einem fernen Pochen geworden, das irgendwie
nicht zu ihr zu gehören schien. Ihre nassen Kleider waren gefroren und mit einer glitzernden Schicht überzogen. Träge dümpelte ihr ungewöhnliches Boot keine Armlänge vom Ufer entfernt dahin. Einen Moment später stieß Eis knirschend auf Eis. Sie wurde auf die Beine gezogen, machte einen unsicheren Schritt und brach mit einem qualvollen Schrei wieder zusammen. Schmerz tobte erneut in ihrem Knie. Arme legten sich um sie, hoben sie in die Höhe, trugen sie in Schatten. Erschrocken riss Cassim die Augen auf. Über ihr wölbten sich die schneeschweren Äste von hohen, dicht an dicht stehenden Bäumen. Eiszapfen glitzerten an ihnen.
    Ein Stück vom Ufer entfernt wurde sie neben einem umgestürzten Baumstamm in den Schnee gesetzt. Der Fremde kniete vor ihr, Jornas ragte sichtlich ärgerlich hinter ihm auf.
    »Wir müssen weiter, die Firnwölfe …«
    »… haben wir für den Moment abgehängt, Faun. Sie müssen erst einmal über den Fluss. Und da sie vermutlich nicht so verrückt sind wie wir und den Weg über die Schollen nehmen, müssen sie noch ein ganzes Stück weiter nach Westen. Erst hinter der großen Biegung ist sein Wasser so kalt, dass sich auf seiner Oberfläche Eis bilden kann, das ihr Gewicht trägt.«
    Halb hatte der Mann sich zu Jornas umgewandt, jetzt blickte er Cassim an. Sie blinzelte ein paar Mal. Seine Augen waren von einem hellen, eisigen Blau, das sie unwillkürlich an Aquamarine erinnerte – oder an blau glitzernde Eiszapfen. Augen, in denen man ertrinken konnte – oder erfrieren. Ein Netz von unzähligen feinen Fältchen saß in den Winkeln. »Was ist mit dem Knie? Kannst du es bewegen?« Ohne auf eine Antwort zu warten, streifte er seine Handschuhe ab, schnürte ihren Stiefel auf, zerrte das Hosenbein heraus und schob es dann erstaunlich sanft ihren Schenkel hinauf. Sofort traf die Kälte schmerzhaft auf ihre Haut. Sie schnappte nach Luft, als sie das verletzte Gelenk sah. Bläulich rot verfärbt, war es geradezu grotesk geschwollen.

    »Das wird noch dicker werden.« Die Finger des Fremden tasteten kundig darüber, bewegten es behutsam. Cassim musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu schreien. »Zum Glück scheint nichts gebrochen.« Er stopfte ihre Hose in den Stiefel zurück, schnürte ihn wieder. Die klamme Kälte ließ Cassim zusammenzucken. »Ich kenne ein paar Kräuter, die helfen werden.« Ohne sie aus den Augen zu lassen, stand er auf. Er war groß und schlank, ganz in weißes Leder gekleidet, und überragte Jornas um mindestens einen Kopf. Sein Umhang war am Saum ausgerissen. Ein Windstoß zerrte an seinem langen Haar. Es hatte die gleiche Farbe wie das des Gefangenen im Thronsaal der Eiskönigin: Schwarz – tiefes Schwarz, in dem glitzernder Frost zu hängen schien und das neben dem bleichen Schimmer seiner Haut umso dunkler wirkte. »Aber ich fürchte, der Faun hat recht. Wir müssen weiter. Zumindest ein Stück tiefer in den Wald. So nah am Fluss sind wir vom anderen Ufer aus zu gut zu sehen.«
    »Wer seid Ihr?«
    »Jemand, der zur rechten Zeit da war.« Er streckte ihr lässig die Hand hin. »Reden können wir später. – Glaubst du, du kannst gehen, wenn du dich auf mich stützt?«
    »Wir sind dankbar für Eure Hilfe, fremder Herr, aber wir kommen von jetzt an allein zurecht.« Jornas drängte den Mann zurück, half Cassim selbst vom Boden hoch und legte sich ihren Arm um die Schulter. Wortlos nahm der Unbekannte die Abfuhr hin und beobachtete mit vor der Brust verschränkten Armen, wie sie sich langsam in Bewegung setzten. Jeder Schritt bohrte sich wie glühende Eisen in Cassims Knie.
    »Ähem, Faun …!«
    Sie waren noch keine zwei Schritt weit gekommen, als die Stimme des Fremden ertönte und Jornas sich halb zu ihm umdrehte.
    »Wie ich schon sagte, wir sind Euch dankbar für Eure Hilfe …«

    »Da entlang liegt der Palast der Eiskönigin. Und ich bezweifle, dass ihr dorthin zurückwollt, nachdem ihr gerade erst von dort geflohen seid.«
    Erschrocken starrte Cassim ihn an. Das entsetzte »Woher …?« war nur als Hauch

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