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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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frostbrennenden Augen trafen auf Haranas’, zuckten weiter, die Treppe hinauf. Seltsam steif duckte er sich, knurrte, machte einen zögernden Schritt auf sie zu. Das Fauchen von Eis und Schnee war nur noch ein Zischen.
    Beinah hätte Haranas gelacht, als er begriff: Wie auch immer
es geschehen war, der Eisprinz war geschwächt – und nun befanden er und seine Krieger sich zwischen ihm und dem Menschenmädchen.
    Er warf Nagraitos einen raschen Blick zu. Auch sein erster Hauptmann hatte es erkannt. Ein knappes Nicken bestätigte seinen unausgesprochenen Befehl. Haranas drehte sich um und eilte die Stufen hinauf. Hinter sich konnte er das wutentbrannte Heulen hören, als seine Krieger den Eisprinzen angriffen.
    Er schenkte dem Laut keine Beachtung. Nagraitos war Akis’ Schwertbruder gewesen – und mehr als das. Er würde tun, was er tun konnte, ohne den Befehl des Lords des Feuers zu missachten. Wenn er zurückkam, würde der Eisprinz in Fesseln darauf warten, vor seinen Herrn geschafft zu werden. Doch im Augenblick war es wichtiger, zu verhindern, dass das Menschenmädchen den Spiegel nach dem Willen der Eiskönigin und ihres grausamen Sohnes zusammensetzte.
    Seine Hufe pochten laut auf dem Eis, das einzige Geräusch in der vollkommenen Stille. Am Ende der Treppe öffnete sich ein riesiger Eissaal. Haranas hastete hindurch, ohne der glitzernden Schönheit einen einzigen Blick zu gönnen, überwand die drei Stufen an seinem Ende wie eine einzige – und kam jäh zum Stehen.
    Das Menschenmädchen lag still hingestreckt über einem glitzernden See aus makellos klarem Kristall, in dessen Tiefen Eis und Feuer tanzten.
    Er war zu spät.

    Sie kreischte und spuckte, beschimpfte und verhöhnte ihn, zerschlug Zerbrechliches und versetzte ihren ganzen Hofstaat in Angst. Er ließ sie toben. So wie er es immer getan hatte. Ihre Drohungen und Schmähungen kümmerten ihn inzwischen
ebenso wenig, wie es Eisfelsen kümmerte, wenn ein Windhauch über sie hinwegstrich. Als Kind hatte er sie gefürchtet, doch aus seiner Furcht war mit der Zeit Verachtung geworden. Unzählige Male hatte sie so wie jetzt vor ihm gestanden, die Hände zu Klauen gekrümmt, ihre Fingernägel geschliffene Dolche, die dicht vor seiner Kehle zuckten, während in ihren Augen überdeutlich das Verlangen stand, ihn bei lebendigem Leibe in Stücke zu reißen, für etwas, das er getan oder nicht getan hatte. – Sie hatte ihm nie auch nur einen Kratzer zugefügt. Jedes Mal war sie im allerletzten Moment davor zurückgeschreckt und hatte statt seiner eine der erbärmlichen Kreaturen ihres Hofes getötet, die das Pech hatte, in der Nähe zu sein. Jedes Mal hatte er sie seinen Abscheu deutlicher spüren lassen. Schließlich hatte es sogar eine Zeit gegeben, in der er ihre Befehle gänzlich ignorierte.
    Doch dann hatte sie herausgefunden, wie sie ihn gefügig machen konnte. In der Nacht, in der er den Firnwolfwelpen in seinen Gemächern gefunden hatte, war aus seiner Verachtung kalt brennender Hass geworden.
    Knapp neben ihm zersplitterte eine Eisskulptur. Keuchend und mit halb erhobenen Händen trat sie dicht vor ihn. An ihren Nägeln glitzerte es rot. Der Blick, den er über ihre vor Zorn bebende Gestalt gleiten ließ, war kühl und verächtlich. Sie war die Letzte, die er merken lassen würde, dass seine Beine ihn kaum noch tragen wollten und die Welt um ihn bei der kleinsten Bewegung ins Nichts zu kippen drohte – und dass es mit jedem Augenblick schlimmer wurde, ohne dass er wusste, weshalb. Es bedurfte nicht mehr als eines kurzen Gedankens, nur ein rasches Antippen des eisbrennenden Reservoirs der Macht tief in seinem Inneren, und der Boden unter seinen Füßen kam wieder zur Ruhe. Dennoch konnte er die bleierne Schwäche, die in seinen Gliedern nistete, seit Cassim das Auge des Feuers an seinen Platz im Spiegel gesetzt hatte, nicht abschütteln. Sie hatte ihn auch zur Flucht gezwungen, ehe die Minotauren ihn
überwältigen konnten. Wortlos wandte er sich um und schritt zum Ausgang des Zeltes.
    »Was hast du vor?«
    Ihre Wachen kreuzten die Spieße vor ihm. Auf den eisernen Spitzen glitzerte Frost.
    »Ich habe getan, was du wolltest. Der Spiegel ist zusammengesetzt. Das Menschenmädchen tot. – Ich gehe.« Er antwortete, ohne sich umzudrehen.
    »Das wirst du nicht! Du bleibst, bis ich dir erlaube zu gehen. – Begib dich in mein Zelt und warte dort auf mich!«
    »Nein!« Die Wachen sahen unsicher zu ihrer Königin, als er einen weiteren Schritt auf den

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