Der Spieler (German Edition)
widerlichsten Sachen.« Er grinst. »Da schwillt einem richtig der Kamm! Jedenfalls beschwert sie sich nicht über ihr Schicksal. Sämtliche Weißhemden der Stadt würden dafür bezahlen, sie in einen Methankomposter zu werfen! Und sie? Sie wohnt noch immer da oben in ihrem Wolkenkratzer und tanzt jede Nacht, vor aller Augen. Stellt ihren seelenlosen Körper zur Schau.«
»Das ist unmöglich.«
Ma zuckt mit den Schultern. »Wenn Sie meinen. Aber ich habe sie selbst gesehen. Und sie verhungert nicht. Sie nimmt, was sie an Essen und Geld kriegen kann, und überlebt. Weder die Weißhemden, noch die königlichen Erlasse, weder die Japanhasser, noch die religiösen Fanatiker können ihr etwas anhaben. Sie tanzt schon seit Monaten dort.«
»Wie ist das möglich?«
»Schmiergelder? Ein hässlicher Farang vielleicht, der sich mit ihr im Dreck suhlt? Wer weiß das schon. Kein echtes Mädchen würde das tun, was sie tut. Da bleibt einem das Herz stehen. Man vergisst völlig, dass sie ein Aufziehmädchen ist!« Er lacht und blickt dann zu Tranh hinüber. »Reden Sie mir nicht von Glück. Im ganzen Königreich gibt es nicht genug Glück, um sie so lange am Leben zu halten. Und wir wissen beide, dass es nicht Karma ist. Sie hat keins.«
Tranh hebt unverbindlich die Schultern und schaufelt sich Krabben in den Mund.
Ma grinst. »Sie wissen, dass ich recht habe!« Er trinkt sein Whisky-Glas aus und knallt es auf den Tisch. »Unser Glück machen wir ganz alleine! Ein Aufziehmädchen tanzt in einer öffentlichen Bar, und ich arbeite für einen reichen Farang , der ohne meine Hilfe nicht mal weiß, wo vorne und hinten ist. Natürlich habe ich recht!« Er schenkt nach. »Sie müssen Ihr Selbstmitleid überwinden und sich selbst helfen. Die fremden Teufel kümmern sich nicht um Glück oder Schicksal. Und trotzdem fallen sie wieder über uns her wie ein genmanipulierter Virus! Nicht einmal die Kontraktion hat sie aufgehalten. Sie sind wie die Teufelskatzen – überall und nirgends. Ihr Schicksal nehmen sie jedenfalls selbst in die Hand. Ich bin mir nicht mal sicher, ob Karma für sie überhaupt existiert! Aber wenn solche Narren erfolgreich sein können, dann steht uns Chinesen erst recht die Welt offen. Wir sind für unser Schicksal selbst verantwortlich – das haben Sie zu mir gesagt, als Sie mich gefeuert haben. Sie haben mir erklärt, ich hätte mich selbst ins Unglück gestürzt und wäre selbst schuld daran.«
Tranh blickt Ma in die Augen. »Vielleicht könnte ich für Ihre Firma arbeiten.« Er grinst, sichtlich bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie dringlich es ihm ist. »Ich könnte viel Geld verdienen für Ihren faulen Boss.«
Ma starrt auf die Tischplatte. »Ah. Das ist schwierig. Was soll ich sagen?«
Tranh weiß, dass er sich mit dieser höflichen Zurückweisung abfinden und den Mund halten sollte. Doch obwohl er sich innerlich vor Scham windet, spricht er weiter, drängend, flehentlich. »Vielleicht brauchen Sie einen Assistenten? Um die Bücher zu führen? Ich spreche die Sprache der Teufel. Das habe ich mir selbst beigebracht, als ich mit ihnen Geschäfte gemacht habe. Ich könnte mich nützlich machen.«
»Es gibt schon kaum genug Arbeit für mich.«
»Aber wenn er so dumm ist, wie Sie sagen ...«
»Dumm, ja. Aber nicht so dumm, dass er nicht bemerken würde, wenn jemand Neues im Büro auftaucht. Unsere Schreibtische stehen nur so weit auseinander.« Er macht eine Handbewegung. »Glauben Sie, ihm würde es nicht auffallen, wenn plötzlich ein dürrer Kuli neben der Tretkurbel seines Computers hockt?«
»Dann in seiner Fabrik?«
Doch Ma schüttelt bereits den Kopf. »Ich würde Ihnen helfen, wenn ich könnte. Aber die Megodontengewerkschaft hat überall die Fäden in der Hand, und die Aufseherposten an den Fließbändern sind den Einheimischen vorbehalten. Außerdem würde niemand glauben, dass Sie sich mit Werkstoffen auskennen.« Er schüttelt den Kopf. »Nein. Es gibt keine Möglichkeit.«
»Ich nehme jeden Job. Sogar als Dungschaufler.«
Ma schüttelt jetzt deutlich heftiger den Kopf, und Tranh gelingt es endlich, sich zu zügeln und seinen demütigen Redestrom zu bremsen. »Schon gut. Schon gut.« Er zwingt sich zu einem Lächeln. »Ich werde schon etwas finden. Kein Grund zur Sorge.« Er greift nach der Flasche Mekong-Whisky und schenkt Ma die letzten Tropfen ein, obwohl dieser protestiert.
Tranh hebt sein halbleeres Glas und prostet dem jungen Mann zu, der ihn vorgeführt hat, bevor er den
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