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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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über den Rand des Wagens. Er hat den besseren Platz, aber Tranh kann es ihm nicht verübeln. Einen von ihnen musste es erwischen. Und Hu hat die Arbeit schließlich gefunden. Hu hat einen Anspruch auf den besten Platz. Und darauf, sich vor dem nächsten Sack ein wenig zu erholen. Er hat Tranh Bescheid gesagt, sonst hätte dieser heute Nacht Hunger gelitten. Es ist nur fair.
    Tranh nimmt den Sack entgegen und schwingt ihn in den wartenden Wald von Frauenhänden hinunter, löst mit einer Drehung des Handgelenks den Haken und lässt ihn zu Boden fallen. Seine Gelenke fühlen sich an, als wären sie aus Gummi – als würden die Knochen jeden Moment aus der Pfanne springen. Vor Hitze ist ihm ganz schwindlig, aber er darf auf keinen Fall darum bitten, dass das Tempo verringert wird.
    Ein weiterer Kartoffelsack schwebt herab. Die Hände der Frauen recken sich ihm entgegen wie Seegrasschlingen – tastend, sehnsüchtig. Er kann sie unmöglich zurückdrängen. Selbst wenn er sie anbrüllt, kommen sie sofort wieder zurück. Sie sind wie die Teufelskatzen – sie können nicht anders. Er lässt den Sack zu Boden sinken und greift mit der Stange nach dem nächsten.
    Als er den Haken ansetzt, knarrt seine Leiter und kommt ins Rutschen. Bevor sie jedoch ganz umfällt, bleibt sie an etwas hängen. Tranh schwankt unter dem Gewicht der Kartoffeln hin und her, verzweifelt darum bemüht, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Zahllose Hände zerren an dem Sack. »Achtung!«
    Die Leiter kippt weg, und er fällt wie ein Stein. Die Frauen stieben auseinander. Er schlägt auf dem Boden auf, und ein entsetzlicher Schmerz fährt ihm ins Knie. Der Kartoffelsack platzt. Einen Moment lang fragt er sich verzweifelt, was wohl der Kartoffelgott sagen wird, doch dann werden ängstliche Schreie laut. Er rollt sich auf den Rücken. Über ihm erbebt der Wagen, gerät ins Schwanken. Leute kreischen und rennen davon. Der Megodont macht einen Satz nach vorne, und der Wagen schaukelt hin und her. Bambusleitern prasseln wie Regen herab, knallen auf das Pflaster. Der Megodont dreht sich um, und der Wagen schlittert an Tranh vorbei. Die Leitern werden zu Splittern zermalmt. Das Tier ist unglaublich schnell, und das, obwohl das Gewicht des Wagens es behindert. Plötzlich reißt es das gewaltige Maul auf und brüllt, ein Geräusch so durchdringend und verzweifelt wie der Schrei eines Menschen.
    Alle anderen Megodonten in Hörweite antworten im Chor. Die Straßen scheinen unter dem Lärm zu erbeben. Der Megodont richtet sich auf die Hinterbeine auf, eine Explosion von Muskeln und Schnelligkeit. Das Geschirr reißt, und der Wagen wird wie ein Spielzeug umgeworfen. Männer segeln herunter – Blüten, die von einem Kirschbaum geschüttelt werden. Wie rasend bäumt sich das Tier erneut auf und tritt nach dem Wagen. Dieser schlittert auf der Seite liegend über das Pflaster. Und verfehlt Tranh nur um Zentimeter.
    Tranh versucht aufzustehen, doch sein Bein gehorcht ihm nicht. Der Wagen kracht in eine Wand. Bambus und Teak knirschen und explodieren. Der Wagen fällt auseinander, während der Megodont sich verzweifelt bemüht, sich von den Trümmern zu befreien. Tranh kriecht von dem berstenden Wagen fort, setzt eine Hand vor die andere, zieht sein nutzloses Bein nach. Von überallher werden Befehle gerufen, Männer versuchen, die Bestie wieder unter Kontrolle zu bringen, doch er schaut sich nicht um. Er konzentriert sich auf die Pflastersteine, die vor ihm liegen. Nur weg hier! Sein Bein weigert sich, ihn zu tragen. Es scheint ihn zu hassen.
    Schließlich erreicht er den Schutz einer Mauer. Mühsam zieht er sich daran hoch. »Alles in Ordnung«, redet er sich ein. »Alles in Ordnung.« Vorsichtig verlagert er sein Gewicht auf das Bein. Es ist wackelig, aber er verspürt keine Schmerzen mehr. » Mei wenti. Mei wenti «, flüstert er. »Kein Problem. Nur angeknackst. Kein Problem.«
    Die Männer schreien noch immer, der Megodont brüllt noch immer, doch Tranh sieht nur sein morsches, altes Knie. Er lässt die Mauer los. Macht einen Schritt und stürzt zu Boden wie eine Marionette, deren Fäden gekappt wurden.
    Er beißt die Zähne zusammen und zieht sich wieder an der Mauer hoch. Dann lehnt er sich dagegen, massiert sich das Knie und lässt den Blick über den Tumult schweifen. Männer werfen Seile über den Rücken des Megodonten, ziehen ihn zu Boden, bis er sich schließlich nicht mehr bewegen kann. Mehr als ein Dutzend von ihnen sind damit beschäftigt, dem Tier

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