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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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Lotoswurzeln und violetter Auberginen beiseite, weicht Bauern mit ihren klappernden Bambushandwagen aus, windet sich an Wannen voller Kalmare und Schlangenkopffische vorbei.
    Er rennt die Marktgasse hinunter wie ein auf frischer Tat ertappter Dieb, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen, er will nur weg von hier, fort von den aufgestapelten Köpfen seiner Familie und seiner Landsleute.
    Er rennt und rennt.
    Bis er auf die breite Thanon Charoen Krung hinausstürzt. Pulverisierter Dungstaub und heißes Sonnenlicht branden über ihn hinweg. Fahrradrikschas klappern vorbei. Palmen und geduckte Bananenbäume schimmern grünlich unter dem freien Himmel.
    So schnell ihn die Panik gepackt hat, so schnell lässt sie ihn auch wieder los. Er bleibt unvermittelt stehen, schnappt, die Hände auf den Knien, nach Luft und verflucht sich selbst. Narr. Narr. Wenn du nichts isst, stirbst du . Er richtet sich auf und will umkehren, doch das Bild der aufgestapelten Durianfrüchte zuckt ihm wieder durch den Kopf. Die Hand vor den Mund haltend, stolpert er fort von der Gasse. Er kann nicht zurück. Die blutigen Haufen sind einfach zu viel! Er krümmt sich vornüber, sein Magen verkrampft sich, aber so sehr er auch würgt, er erbricht nur Speichel.
    Schließlich wischt er sich mit dem Anzugärmel den Mund ab und reißt sich zusammen. Überall um ihn herum nur unbekannte Gesichter. Ein Meer fremder Menschen, unter die er sich wieder begeben muss, obwohl sie ihn Farang schimpfen. Allein die Vorstellung ist ihm zuwider. Selbst in Malakka, wo seine Familie während zwanzig Generationen fest verwurzelt war, war er doch nur ein Eindringling. Sein angesehener Klan war nicht mehr als eine Fußnote in der Geschichte einer chinesischen Expansion, die sich als so flüchtig erwiesen hat wie die kühlende Nachtluft, sein Volk nicht mehr als ein paar Reiskörner, die aus Versehen auf eine Landkarte verschüttet wurden und nun mit weit größerer Sorgfalt aufgewischt werden, als sie verteilt wurden.
     
    Bis tief in die Nacht hinein hilft Tranh, RedSilks von U-Tex abzuladen, Opfergaben für den Kartoffelgott. Er hat Glück gehabt und einen Job bekommen. Ein Glückstag, auch wenn seine Knie vor Anstrengung zittern und er das Gefühl hat, sie könnten jeden Moment nachgeben. Auch wenn er seine Arme kaum noch spürt, so schwer sind die Säcke, die ihm von den Megodonten herunter zugeworfen werden. Heute Abend erhält er nicht nur seinen Lohn, sondern vielleicht auch die Gelegenheit, etwas zu stehlen. Die RedSilk-Kartoffeln sind klein und zu früh geerntet, damit sie nicht vom Krätzenschimmel befallen werden, aber nahrhaft sind sie trotzdem. Und weil sie so klein sind, passen auch viele davon in seine Taschen.
    Hu kauert über ihm und reicht ihm die Kartoffeln hinunter. Während die riesigen Megodonten unruhig scharren und grunzen, bis die großen Wagen entladen sind, fängt Tranh die Säcke mit einer kurzen Hakenstange auf und setzt sie langsam ab. Einhaken, abfangen, herumschwingen, absetzen. Wieder und wieder und wieder.
    Er ist nicht alleine bei seiner Arbeit. Frauen aus den Hochhausslums umdrängen seine Leiter. Fast andächtig liebkosen sie die Hanf- und Jutesäcke, während er sie auf dem Boden absetzt. Vielleicht haben sie Glück und entdecken einen Riss. Tausend Mal streichen sie über seine Last, folgen den Nähten mit den Fingern und weichen nur zurück, wenn ein Kuli sie beiseitestößt und sich einen Sack auf die Schulter wuchtet, um ihn dem Kartoffelgott darzubringen.
    Nachdem er eine Stunde gearbeitet hat, zittern Tranh die Arme. Nach drei Stunden kann er kaum noch stehen. Jedes Mal, wenn er einen Sack absetzt, droht er fast von der Leiter zu fallen. Keuchend wischt er sich den Schweiß von der Stirn und wartet auf die nächste Ladung.
    Hu späht von oben zu ihm herunter. »Alles in Ordnung?«
    Tranh wirft vorsichtig einen Blick über die Schulter. Der Kartoffelgott wacht über alles, während er die Säcke zählt, die in sein Lagerhaus getragen werden. Hin und wieder schaut er zu dem Wagen herüber, vor dem Tranh sich abmüht. Fünfzig Männer, die Pech gehabt haben, lauern im Schatten einer Mauer, jeder Einzelne von ihnen aufmerksamer, als der Kartoffelgott es jemals sein kann. Tranh richtet sich auf und streckt die Arme nach dem nächsten Sack aus. Dabei versucht er, nicht an die vielen neidischen Zuschauer zu denken. Wie geduldig sie warten! Lautlos. Hungrig. »Alles in Ordnung!«
    Hu zuckt mit den Achseln und schiebt den nächsten Jutesack

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