Der Spieler (German Edition)
Fußfesseln anzulegen.
Der Rahmen des Wagens ist völlig zersplittert, und überall liegen Kartoffeln. Ein dicker Brei bedeckt den Boden. Frauen kriechen auf den Knien umher, streiten sich um die zerquetschten Knollen, kratzen sie von der Straße. Ein Teil ihrer Beute hat rote Flecken, aber das scheint niemanden zu kümmern. Ihr Gekreische nimmt kein Ende. Die rote Lache wird allmählich größer. In ihrer Mitte liegt ein Mann, von dem nur die Beine zu erkennen sind.
Tranh runzelt die Stirn. Richtet sich auf und hüpft auf einem Bein zu dem kaputten Wagen hinüber. Bleibt keuchend stehen und hält sich daran fest. Hu liegt inmitten von Megodontenkot und Kartoffelbrei. Er ist entsetzlich zugerichtet. Von hier aus kann Tranh sehen, dass die großen grauen Füße der Bestie blutbespritzt sind. Jemand ruft nach einem Arzt, aber nur halbherzig – ein Reflex aus Zeiten, als sie noch keine Yellow Cards waren.
Tranh versucht noch einmal, sein Bein zu belasten, doch er hat das Gefühl, sein Knie ist aus Papier. Gerade noch rechtzeitig hält er sich an einem abstehenden Brett fest. Er bewegt das Knie, um herauszufinden, warum es ihm nicht gehorcht. Er kann es beugen, es tut nicht besonders weh, aber es trägt sein Gewicht nicht.
Allmählich herrscht wieder Ordnung auf dem Entladeplatz. Hus Leiche wird beiseitegezerrt. Teufelskatzen sammeln sich in der Nähe der Blutlache, flimmernde Gestalten im Licht der Methanlampen. Ihre Tatzen hinterlassen rote Spuren auf den schmutzigen Kartoffelresten. Immer mehr von ihnen huschen vorbei, nähern sich Hus unbewachter Leiche.
Tranh seufzt. So spielt das Leben, denkt er. Wir sterben alle. Selbst denjenigen unter uns, die sich Verjüngungskuren unterziehen, regelmäßig Tigerpenis einnehmen und bei Kräften bleiben, steht eine Reise in die Unterwelt bevor. Er nimmt sich vor, für Hu ein paar Baht zu verbrennen, um ihm die Reise ins Jenseits zu erleichtern. Dann wird ihm jedoch wieder bewusst, dass er nicht mehr der Mann ist, der er einmal war. Nicht einmal mehr das Geld für die Unterwelt kann er sich leisten.
Der Kartoffelgott kommt herbeigelaufen, sichtlich aufgelöst und wütend. Er mustert ihn argwöhnisch. »Kannst du noch arbeiten?«
»Natürlich!« Tranh versucht zu gehen, stolpert aber und muss sich wieder an den Trümmern des Wagens festhalten.
Der Kartoffelgott schüttelt den Kopf. »Ich werde dich für die Stunden bezahlen, die du gearbeitet hast.« Er winkt einen jungen Mann herbei, der geholfen hat, den Megodonten zu fesseln. »Du da! Das hast du gut gemacht. Bring die restlichen Säcke in das Lagerhaus.«
Längst stehen Arbeiter bereit, um die Kartoffeln aus dem geborstenen Wagen zu wuchten. Als der neue Mann mit seinem ersten Sack an Tranh vorbeiläuft, senkt er den Blick, um nicht zu zeigen, wie froh er ist, dass Tranh nicht mehr arbeiten kann.
Der Kartoffelgott schaut einen Moment lang zufrieden zu und wendet sich dann wieder dem Lagerhaus zu.
»Doppelter Lohn«, ruft Tranh ihm hinterher. »Geben Sie mir doppelten Lohn. Ich habe ein Bein für Sie verloren.«
Der Aufseher betrachtet ihn mitleidig, schaut kurz zu Hus Leichnam hinüber und zuckt dann mit den Achseln. Es fällt ihm nicht schwer, Tranhs Bitte nachzugeben. Hu wird keine Entschädigung von ihm fordern.
Es ist besser, beim Sterben nichts mehr zu empfinden, als zu spüren, wie es Stück für Stück mit einem bergab geht. Tranh gibt sein Entschädigungsgeld für eine Flasche Mekong-Whisky aus. Er ist alt. Er ist kaputt. Er ist der Letzte seiner Familie. Seine Söhne sind tot. Seine Töchter ebenfalls. Keiner wird sich um seine Vorfahren in der Unterwelt kümmern, weil niemand ihnen mehr Weihrauch und süßen Reis darbringt.
Wie sehr sie ihn verfluchen werden!
Er hinkt und stolpert und kriecht durch die drückende Hitze, in der einen Hand die offene Flasche, während er mit der anderen an Türen und Mauern und Laternenpfählen Halt sucht. Manchmal gehorcht ihm sein Knie, manchmal lässt es ihn im Stich. Ein Dutzend Mal schon hat er die Straße geküsst.
Er redet sich ein, dass er auf der Suche nach etwas zu essen ist. Aber Bangkok ist voll von Aasfressern wie ihm, und die Krähen, Kinder und Teufelskatzen sind ihm längst zuvorgekommen. Wenn er wirklich Glück hat, wird er den Weißhemden begegnen, und sie werden ihn zusammenschlagen, bis er nichts mehr wahrnimmt und sich vielleicht sogar zu dem früheren Besitzer dieses feinen Anzugs der Brüder Hwang gesellt, der ihm lose am Leib hängt. Die
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