Der Spieler (German Edition)
noch etwas mehr von dem hellen, klaren Schnaps ein. Anschließend verschloss er sorgfältig die Flasche und reichte seinem Großvater einen der Becher.
Sie erhoben die Becher zum Himmel, verschütteten einige Tropfen für die Ahnen und tranken gemeinsam aus. Kurz darauf fiel Gawar der Becher aus der erschlaffenden Hand. Zerbrach. Tonscherben kullerten über den festgetretenen Boden. Der Kiefer des alten Mannes verkrampfte sich. Während er verzweifelt nach Luft schnappte, drang ein lautes Pfeifen zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Mez?«, presste er hervor.
Raphel neigte den Kopf und legte zum Abschied die Hände aneinander. »Undestilliert. Eine recht häufige Todesursache unter den Jai. Du hattest recht, Großvater, der Krieg endet nie. Diese Lehre hast du den Paschos erteilt. Und sie haben sie nicht vergessen. Selbst jetzt noch suchst du sie in ihren Albträumen heim.«
Sein Großvater schnitt eine Grimasse und rang sich die Frage ab: »Die Paschos stellen sich also auf die Seite der Keli?«
Raphel zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Das Wissen muss geschützt werden, Großvater ...« Er hielt inne, denn sein Großvater wand sich plötzlich in wilden Krämpfen. Im Mundwinkel des Alten hatte sich Speichel gesammelt. Raphel beugte sich zu ihm vor und wischte dem alten Mann mit dem Ärmel seiner weißen Robe den Mund ab. »Es tut mir leid, Großvater. Die Keli sind zu sanft, um einem Jai-Kreuzzug standhalten zu können. Wie die Ziegen würdet ihr sie abschlachten und damit die gesamte Arbeit der Paschos zunichte machen: die Bibliotheken von Keli, die Krankenhäuser und Fabriken. Wir Paschos können uns keinen offenen Krieg leisten; Mez erschien mir da die bessere Alternative.«
Fassungslos starrte sein Großvater ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Rang keuchend um Worte. Raphel hielt dem alten Mann die Hand, während ihn ein weiterer Krampf schüttelte. Der Alte ächzte. Raphel beugte sich vor, um sein Flüstern verstehen zu können.
»Du hast uns alle verraten.«
Raphel schüttelte den Kopf. »Nein, Großvater, nur dich. Wissen ist ebenso ein Geburtsrecht der Jai wie der Keli. Nach deinem blutigen Feldzug wäre unseren Kindern nur Asche geblieben. Stattdessen werde ich unserem Volk beibringen, Brunnen zu graben, und sie mit Feldfrüchten vertraut machen, die selbst in Dürreperioden gedeihen. Wir werden uns weiterentwickeln. Sei unbesorgt, Großvater, was auch immer du von meinen Pascho-Tätowierungen halten magst, ich bin immer noch Jai. Dein Hakenmesser mag stumpf geworden sein, aber meines ist scharf.«
Der alte Gawar bewegte sich nicht mehr. Sein Kopf sank herab. Raphel wischte seinem Großvater den Tod vom Mund, die letzte Spur seines Dahinscheidens. Draußen fiel steter Regen, ließ die Luft milde werden und tränkte den durstigen Boden mit dem lebensspendenden Wasser der Regenzeit.
Der Kalorienmann
Keine Mama, keine Papa, armes kleines Bastard. Geld? Du geben Geld?« Der nackte Bengel schlug erst ein Rad und dann einen Purzelbaum; gelber Staub wirbelte auf.
Lalji hielt inne und starrte das blonde Kind an, das jetzt direkt vor ihm stand. Die Aufmerksamkeit ermutigte den Bengel anscheinend noch, denn er schlug einen weiteren Purzelbaum. Dann blieb er geduckt auf dem Pflaster hocken und schaute erwartungsvoll und berechnend zu Lalji hoch. Der Schweiß lief ihm über das schmutzige Gesicht. »Geld? Du geben Geld?«
Die Hitze des Nachmittags lastete schwer auf der schweigenden Stadt. Nur ein paar Farmer in Baumwollkitteln führten ihre Mulis auf die Felder. Hütten aus WeatherAll-Pressspan stützten einander wie Betrunkene, die Wände fleckig vom Regen und rissig von der Sonne. Aber wie es der Markenname versprach – sie standen noch. Am Ende der schmalen Straße erstreckten sich üppige Felder mit SoyPRO und HiGro bis zum blauen Horizont. Das Dorf glich zahllosen anderen, die Lalji auf seiner Fahrt den Fluss hinauf besucht hatte – eine Agrarinsel unter vielen, die ihre Lizenzgebühren entrichtete und Kalorien nach New Orleans verschiffte.
Der Junge krabbelte ein Stück näher heran, wobei er demütig lächelte und mit dem Kopf nickte wie eine Schlange angesichts ihrer Beute.
Lalji steckte die Hände in die Taschen, nur für den Fall, dass der kleine Bettler Freunde hatte, und wandte seine ganze Aufmerksamkeit dem Jungen zu. »Und warum sollte ich dir Geld geben?«
Der Junge sah ihn verwirrt an. Sein Mund ging auf und zu. Schließlich verfiel er wieder in seine
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