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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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hätte.«
    »Nein! Ich wollte mich nur nicht von ihnen in eine Form pressen lassen! Ihr großer Plan bedeutet den Tod der Jai. Wird in tausend Jahren noch irgendetwas übrig sein, das uns von den Keli unterscheidet? Werden unsere Frauen silberne Gürtel tragen und vielleicht sogar Goldarmbänder? Und dann? Was bleibt dann von den Jai?«
    Raphel schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht geben, wonach du verlangst. Einige wenige gelehrte Männer würden ausreichen, um den ganzen Planeten von allem reinzuwaschen, was von uns übrig ist. Deswegen legen die Paschos dem Wissen Zügel an. Unsere Vorfahren sind schnell vorgeprescht, viel zu schnell, ungeduldig wie die Ameisen. Wir hingegen bewegen uns langsam und umsichtig. In dem Bewusstsein, dass der furchterregende Ozean des Wissens überquert werden muss, und in der Hoffnung, dass Weisheit am anderen Ufer auf uns wartet. Das ist kein Spielzeug, das man einfach so zum Vergnügen verwenden kann.«
    Der alte Gawar verzog das Gesicht. »Geschliffen formuliert.«
    »Rhetorik. Ein Pascho muss sich gewählt ausdrücken können, sonst stirbt er in fernen Ländern.«
    »Du gebrauchst schöne Worte, um hässliche Taten zu verschleiern. Ihr lasst Kinder an der gelben Krankheit sterben und die im Krieg verwundeten Männer verbluten. Wir stellen Vermutungen an über das Wissen, das ihr bereits besitzt. Wir wissen, dass ihr die Schlüssel zu über tausend Schlössern in der Hand haltet, sie den Absichten der Paschos entsprechend nur zurückhaltend austeilt.« Der alte Mann nahm eine Chilischote und warf sie in den Mörser. Dann wählte er eine weitere aus und ließ sie neben die andere fallen. »So zurückhaltend.«
    Er schaute zu Raphel auf. »Ich will dieses Wissen nicht, das die Paschos für angemessen halten. Ich will, dass das Volk der Jai überlebt. Wenn die Keli vergessen und die Kai nur noch als Sklaven in Erinnerung sind, dann will ich, dass die Jai Geschichte schreiben. Jai trinken Mez. Wir tragen kein Silber, sondern Gold. Wir schreiben den von uns bezwungenen Feinden Grabinschriften in den Staub und schauen zu, wie der Wüstenwind sie fortweht. Das ist es, was einen Jai ausmacht. Die Paschos würden all das auslöschen und uns mit ihrem zahnlosen Dienervolk verschmelzen. Das werde ich nicht zulassen. Keli wird brennen, das verspreche ich dir. Und das Beste daran ist – es wird brennen, weil die Keli unfähig waren, euren tätowierten Fäusten die Kriegskunst abzuringen.« Ein schwaches Lächeln machte sich im Gesicht des alten Mannes breit. »Nicht zuletzt hätten wir das auch euch Paschos zu verdanken. Eure Neutralität leistet mir gute Dienste. Geh also zurück nach Keli, Enkel. Sag ihnen, Gawar Ka’Korum kehrt zurück.«
     
     
    »Ein Pascho auf Wanderschaft sollte sich immer respektvoll verhalten. Naturgemäß wird sich ein Stamm oder ein Volk der Anwesenheit und dem Gedankengut eines Fremden widersetzen. Deswegen sind Geduld und Zurückhaltung die besten Werkzeuge, die ein Pascho besitzen kann. Unsere Arbeit zieht sich bereits über viele Generationen hin und wird erst nach vielen weiteren Generationen vollendet sein. Wir haben keine Eile. Denn diese hat unsere Vorfahren ins Verderben geführt. Wir stellen Vermutungen an, gehen langsam vor, warten ab. Wenn wir an einem neuen Ort nicht willkommen sind, müssen wir weiterziehen und darauf warten, dass wir eingeladen werden. Wenn wir uns Herausforderungen gegenübersehen, müssen wir uns ihnen stellen. Wissen und Einfluss sind zerbrechlich. Stahl und Schallwaffen sollten durch Nichteinmischung, Moral und Menschlichkeit ersetzt werden. Menschen führen Krieg. Aber niemals die Paschos.«
    Pascho Nalini Desai, CS 955.
    (Lektion 121: Verhaltensregeln für die Wanderschaft)
     
    Am neunten Tag von Raphels Rückkehr setzte der Regen ein. Dicke graue Wolken ballten sich am Horizont zusammen, bis sie schließlich den ganzen südlichen Himmel ausfüllten. Mit regenschweren Bäuchen zogen sie über die Ebene. Nach und nach öffneten sie sich, und die herabfallenden Wassermassen durchzogen die Luft mit grauen Streifen. Die Sonne verschwand hinter den sich auftürmenden Wolken, die gelbe Ebene verdunkelte sich. Dicke Tropfen wirbelten Staub auf. Kurz darauf brach das Gewitter los und verwandelte die trockene Erde in Schlamm. Am zehnten Tag von Raphels Quaran war die gelbe Ebene vor den Dörfern von einem frisch gewachsenen, im Licht fast schon fluoreszierend hellgrünen Grasmantel bedeckt. Und es regnete immer weiter.
    Raphels

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