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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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der hier durchkam, würde so reich sein. »Zweihundert.«
    Der Kinetikhändler lächelte sichtlich erleichtert und offenbarte dabei gelbe Zahnstummel. Dass Lalji sich aufs Feilschen einließ, beruhigte offenbar sein schlechtes Gewissen. »Vier.«
    »Zwei. Ich kann auch auf dem Fluss vor Anker gehen und meine eigenen Aufzieher dieselbe Arbeit tun lassen.«
    Der Mann schnaubte verächtlich. »Das würde Wochen dauern.«
    Lalji hob die Schultern. »Ich habe Zeit. Dann lassen Sie die Energie eben wieder zurück in Ihre Federn fließen. Ich komme auch alleine klar.«
    »Ich habe eine Familie zu ernähren. Drei?«
    »In Ihrer Nähe wachsen mehr Kalorien, als so manche reiche Familie in St. Louis je gesehen hat. Zwei.«
    Der Mann schüttelte übellaunig den Kopf, führte Lalji aber in den Aufziehraum. Der Dunggestank wurde stärker. In einer dunklen Ecke standen gewaltige kinetische Speichertrommeln, zwei Mann hoch; die Hochleistungspräzisionsspannfedern waren mit Kot und Erde bespritzt. Durch Löcher im Dach, wo es Schindeln weggeweht hatte, schien die Sonne hindurch. Staubpartikel glitzerten im Licht.
    Ein halbes Dutzend überentwickelter Mulis war auf den Tretmühlen niedergesunken. Ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig, ihre Flanken waren von Salzstreifen bedeckt; anscheinend hatten sie ordentlich geschwitzt, als sie Laljis Bootsfedern aufgezogen hatten. Sie bliesen Luft durch ihre Nüstern – Laljis Geruch machte sie nervös – und erhoben sich langsam. Muskeln wie Felsblöcke spannten sich unter ihrem knochigen Fell. In ihrem feindseligen Blick lag fast so etwas wie Intelligenz. Einer von ihnen entblößte gelbe Zahnstummel, die denen ihres Eigentümers glichen.
    Lalji verzog angewidert das Gesicht. »Füttern Sie sie!«
    »Das habe ich schon.«
    »Ich kann ihre Knochen zählen! Wenn Sie Geld von mir wollen, dann füttern Sie sie noch einmal.«
    Der Mann sah ihn mürrisch an. »Die sollen nicht fett werden, die sollen die verdammten Federn aufziehen!« Trotzdem warf er zwei Handvoll SoyPRO in die Futterkanister.
    Die Köpfe der Mulis verschwanden in den Eimern – sie sabberten und grunzten vor Hunger. Ein besonders ungestümes Tier bewegte sich sogar kurz auf seiner Tretmühle vorwärts, woraufhin Energie in die entleerten Speicherfedern des Aufziehladens floss, bevor es begriff, dass das gar nicht von ihm erwartet wurde und es ungestört fressen konnte.
    »Die sind gar nicht dafür gemacht, fett zu werden«, murmelte der Kinetikhändler.
    Lalji lächelte kaum merklich, während er die zerknüllten blauen Scheine zählte und seinem Gegenüber das Geld reichte. Dieser nahm Laljis Spannfedern aus der Aufziehtretmühle und stapelte sie neben den sabbernden Mulis. Lalji hob eine der Federn hoch und ächzte unter ihrem Gewicht. Ihre Masse hatte sich nicht verändert, seit er sie in den Aufziehladen gebracht hatte, aber jetzt schienen sie vor aufgeladener Energie geradezu zu vibrieren.
    »Brauchen Sie Hilfe?« Der Mann rührte sich nicht von der Stelle. Sein Blick huschte immer wieder zu den Eimern der Mulis hinüber – offenbar fragte er sich, ob er noch eine Chance hatte, ihre Mahlzeit zu unterbrechen.
    Lalji ließ sich Zeit mit seiner Antwort und sah zu, wie die Mulis die letzten Kalorien verschlangen. »Nein«, erwiderte er. Erneut hievte er die Feder hoch und bekam sie dieses Mal besser zu fassen. »Mein Diener wird die anderen holen.«
    Als er sich der Tür zuwandte, hörte er, wie der Ladeninhaber versuchte, den Mulis die Futtereimer wegzureißen. Die Tiere grunzten und kämpften um ihre Nahrung. Einmal mehr bereute Lalji, sich überhaupt auf diese Reise eingelassen zu haben.
     
    Shriram hatte die Idee als Erster zur Sprache gebracht. Sie hatten auf Laljis Veranda in New Orleans unter dem Vordach gesessen, Betelnusssaft in den Rinnstein der Gasse gespuckt, dem Regen zugeschaut und Schach gespielt. Am Ende der Gasse glitten Rikschas und Fahrräder vorbei, die Ponchos aus Maispolymer bildeten grüne, rote und blaue Farbtupfer im Grau des Vormittags.
    Das Schachspiel war eine Tradition, die sie bereits seit Jahren pflegten, sofern Lalji in der Stadt war und Shriram sich freinehmen konnte. Er betrieb eine kleine Kinetikfirma, in der Haus- und Bootsspannfedern aufgezogen wurden. Sie beide schätzten diese Freundschaft sehr, die zudem recht einträglich war – zum Beispiel wenn Lalji über unlizenzierte Kalorien verfügte, die in den Mäulern hungriger Megodonten verschwinden mussten.
    Sie spielten beide

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