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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Pacigalupi
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Leier: »Keine Mama, keine Papa?« Aber jetzt klang es eher fragend und gar nicht mehr überzeugend.
    Lalji zog ein angewidertes Gesicht und machte Anstalten, nach dem Jungen zu treten. Das Kind sprang beiseite und fiel dabei auf den Rücken, was Lalji anerkennend registrierte – wenigstens war das Kerlchen schnell. Lalji drehte sich um und ging die Straße hinauf. Hinter ihm wurde das Wehklagen des kleinen Bengels immer lauter. »Keine Maamaaa, keine Paapaaa!« Lalji schüttelte verärgert den Kopf. Das Kind bettelte zwar um Geld, aber es lief ihm nicht nach. Das war überhaupt kein richtiger Bettler, sondern nur ein Opportunist. Wahrscheinlich hatten irgendwelche Fremden das Dorf besucht und sich gegenüber blonden Bälgern spendabel gezeigt. Den Wissenschaftlern und Landbetreuern von AgriGen und Midwest Grower bereitete es bestimmt Genugtuung, sich gegenüber den Dorfbewohnern im Herzen ihres Reiches großzügig zu verhalten.
    Durch eine Lücke in den geduckten Hütten erhaschte Lalji einen weiteren Blick auf das sanft wogende SoyPRO und HiGro. Allein schon die Größe der Felder weckte Fantasiebilder in ihm, und er sah sich einen mit Kalorien beladenen Lastkahn durch die Schleusen nach St. Louis und New Orleans schmuggeln, wo sie in den Mäulern der wartenden Megodonten verschwanden. Natürlich war das unmöglich, aber das Meer smaragdgrüner Halme gab so viel Sicherheit, dass kein Kind hier überzeugend betteln konnte. Nicht inmitten dieser SoyPRO-Felder! Lalji schüttelte noch einmal angewidert den Kopf und zwängte sich dann einen Fußweg entlang zwischen zwei Häusern hindurch.
    Der beißende Gestank der Öle, die das WeatherAll ausschwitzte, war in der schmalen Gasse überwältigend. Ein Cheshire-Paar, das hier Schutz gesucht hatte, schoss in die Helligkeit hinaus und verschmolz mit dem Sonnenlicht. Direkt hinter der Mündung der Gasse lehnte sich ein Kinetikladen gegen seine schiefen Nachbarn – der Geruch von Kot und Tierschweiß mischte sich unter die Ausdünstungen des WeatherAll. Lalji drückte die Brettertür auf und trat ein.
    Goldene Sonnenstrahlen durchbohrten die nach süßlichem Dung riechende Düsternis. Ein paar von Hand gemalte Plakate, teils zerrissen, aber noch immer lesbar, waren an eine Wand geheftet. Auf einem stand: »Kalorienbetrug führt dazu, dass Familien verhungern – wir überprüfen sämtliche Gebührenquittungen.« Unter dem anklagenden Slogan starrten ein Farmer und seine Familie den Leser hohläugig an. PurCal war der Sponsor. Auf einem anderen Plakat war die weithin bekannte Collage von AgriGen zu sehen: Spannfedern, grüne Reihen von SoyPRO im Sonnenschein und lächelnde Kinder, darunter die Worte: »Wir versorgen die Welt mit Energie!« Lalji betrachtete die Plakate missmutig.
    »Schon wieder zurück?« Der Inhaber kam aus dem Aufziehraum, wischte sich die Hände an den Hosen ab und trat sich Stroh und Erde von den Stiefeln. Er schenkte Lalji einen schiefen Blick. »Meine Federn hatten nicht genug gespeichert. Um Ihre Joule zu produzieren, musste ich die Mulis noch extra füttern.«
    Lalji zuckte mit den Achseln – er hatte schon damit gerechnet, dass er würde feilschen müssen. Ihn erinnerte das alles so sehr an Shriram, dass er sich nicht einmal aufraffen konnte, wütend dreinzuschauen.
    »Ja? Wie viel?«
    Sein Gegenüber kniff die Augen zusammen, senkte den Kopf und ging in Abwehrhaltung. »F-fünfhundert.« Als wäre er über seine plötzliche Habgier selbst überrascht, verschluckte er sich fast an dem Betrag.
    Lalji runzelte die Stirn und zupfte an seinem Schnurrbart. Der Preis war unverschämt hoch. Die Kalorien hatten nicht einmal transportiert werden müssen. Das Dorf schwamm geradezu in Energie! Und ungeachtet der Plakate mit den tugendhaften Botschaften war es fraglich, ob die Kalorien, die diesen Laden speisten, auch ehrlich erworben wurden. Schließlich waren es bis zu den verlockend grünen Feldern nur wenige Meter. Shriram sagte immer, wer lizensierte Kalorien verwende, könne sein Geld genauso gut in einen Methankomposter werfen.
    Lalji zupfte noch einmal an seinem Schnurrbart und fragte sich, was er für die Joule bezahlen konnte, ohne allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn dieser Kerl so habgierig war, kamen hier anscheinend des Öfteren reiche Leute vorbei. Kalorienmanager wahrscheinlich. Das würde passen. Das Dorf lag ziemlich zentral. Vielleicht wurden hier sogar die Kronjuwelen der Energiemonopole von AgriGen angebaut. Trotzdem, nicht jeder,

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