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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Ehrgeiz, und das ist mir egal.«
    »Warum sollte ich Sie veranlassen, vom Schlangenberg zu springen?« sagte sie trocken und irgendwie besonders kränkend. »Das ist für mich völlig nutzlos.«
    »Hervorragend!« rief ich. »Sie haben dieses hervorragende ›völlig nutzlos‹ gesagt, um mich zu treffen. Ich durchschaue Sie. ›Nutzlos‹, sagen Sie? Aber Vergnügen ist doch immer nützlich, und die rohe, grenzenlose Macht – und sei es nur über eine Fliege – ist ein Genuß eigener Art. Der Mensch ist von Natur ein Despot und mit Vorliebe ein Peiniger. Und Sie sind es furchtbar gern.«
    Ich erinnere mich, daß sie mich besonders aufmerksam musterte. Wahrscheinlich drückte mein Gesicht damals alle meine verworrenen und widersprüchlichen Gefühle aus. Ich erinnere mich jetzt genau, daß unser Gespräch damals tatsächlich Wort für Wort so verlief, wie ich es hier niederschreibe. Meine Augen waren blutunterlaufen. In den Mundwinkeln stand Schaum. Was den Schlangenberg betrifft, schwöre ich bei meiner Ehre sogar jetzt noch: Wenn sie mir damals befohlen hätte zu springen, wäre ich gesprungen! Wenn sie es mir auch nur zum Spaß gesagt hätte, wenn auch verächtlich, gleichsam mich anspuckend, gesagt hätte – auch dann wäre ich gesprungen!
    »Nein, nicht doch, ich glaube Ihnen ja«, ließ sie vernehmen, aber so, wie nur sie gelegentlich sprechen konnte, mit so viel Verachtung, so giftig und so von oben herab, daß ich sie, bei Gott, in diesem Augenblick hätte ermorden können. Sie riskierte viel. Ich hatte ja auch nicht übertrieben, als ich davon sprach.
    »Sie sind kein Feigling?« fragte sie mich plötzlich.
    »Weiß ich nicht, vielleicht bin ich ein Feigling. Weiß ich nicht … Darüber habe ich seit langem nicht mehr nachgedacht.«
    »Wenn ich Ihnen sagen würde: Töten Sie diesen Menschen da, würden Sie ihn töten?«
    »Wen?«
    »Wen ich will.«
    »Den Franzosen?«
    »Sie sollen nicht fragen, Sie sollen antworten – den, den ich nennen werde. Ich will wissen, ob Sie jetzt im vollen Ernst gesprochen haben.« Sie wartete so ernst und so ungeduldig auf eine Antwort, daß es mir seltsam zumute wurde.
    »Aber wollen Sie mir nicht endlich sagen, was hier eigentlich geschieht!« rief ich. »Haben Sie etwa Angst vor mir? Ich sehe doch selber, daß hier alles drunter und drüber geht. Sie sind die Stieftochter eines ruinierten und verrückten Mannes, der von Leidenschaft zu diesem Satan – Blanche – infiziert ist; und dann – dann dieser Franzose und sein geheimnisvoller Einfluß auf Sie, und jetzt – jetzt stellen Sie mir so ernst diese … diese Frage. Ich möchte wenigstens darüber unterrichtet sein; sonst verliere ich hier den Verstand und stelle irgend etwas an. Oder ist es Ihnen peinlich, mich Ihres Vertrauens zu würdigen? Aber können Sie überhaupt etwas vor mir als peinlich empfinden?«
    »Ich rede mit Ihnen über etwas ganz anderes. Ich habe Sie etwas gefragt und warte auf die Antwort.«
    »Selbstverständlich töte ich ihn«, rief ich, »wen immer Sie mir nennen werden, aber können Sie … können Sie so etwas befehlen?«
    »Glauben Sie etwa, Sie täten mir leid? Ich werde befehlen und selbst im Hintergrund bleiben. Werden Sie das ertragen? Aber nein, wie sollten Sie es! Sie könnten möglicherweise auf meinen Befehl jemand töten, dann aber zu mir kommen und auch mich umbringen, weil ich gewagt hätte, Ihnen diesen Befehl zu geben.«
    Ihre Worte trafen mich wie ein Blitz. Ich hatte immer noch ihre Frage für einen halben Spaß, für eine Herausforderung gehalten; aber dafür hatten sie allzu ernst geklungen. Ich war trotz allem verblüfft, daß sie so weit gegangen war, daß sie auf ihrem Recht, über mich zu verfügen, beharrte, daß sie sich zu solcher Macht über mich bekannt und unverblümt ausgesprochen hatte: »Geh du ins Verderben, ich halte mich heraus.« In diesen Worten lag etwas sehr Zynisches, ein Bekenntnis, das meiner Meinung nach jedes Maß übertraf. Wer bin ich für sie nach alldem? Die Grenze der Sklaverei und Nichtswürdigkeit war damit überschritten. Eine solche Einschätzung kommt der höchsten Würdigung gleich. Wie widersinnig, wie unglaublich unsere ganze Unterhaltung auch verlaufen war, mein Herzschlag setzte einen Augenblick aus.
    Plötzlich lachte sie laut auf. Damals saßen wir auf der Bank, in der Nähe der spielenden Kinder, genau an dem Platz, wo die Kutschen halten und das Publikum in die Allee aussteigen lassen, direkt vor dem Kurhaus.
    »Sehen

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