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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Sie diese dicke Baronin!« rief sie. »Das ist die Baronin Wurmerhelm. Sie ist erst vor drei Tagen angekommen. Sehen Sie ihren Gatten: langer, hagerer Preuße, mit dem Stock in der Hand? Wissen Sie noch, wie er uns vorgestern musterte? Gehen Sie augenblicklich hin, treten Sie vor die Baronin, ziehen Sie den Hut und sagen Sie ihr etwas auf französisch.«
    »Wozu?«
    »Sie haben beteuert, Sie würden vom Schlangenberg springen; Sie beteuern, Sie seien bereit zu töten, wenn ich es wünsche. Anstelle all dieser Morde und Tragödien wünsche ich mir nur einen Anlaß zum Lachen. Gehen Sie, und keine Ausflüchte. Ich will sehen, wie der Baron Sie mit dem Stock traktiert.«
    »Sie fordern mich heraus; glauben Sie, ich täte es nicht?«
    »Ja, ich fordere Sie heraus, gehen Sie, ich will es!«
    »Wie Sie wünschen, ich gehe, obwohl es ein Wahnwitz ist. Nur noch etwas: Zieht es nicht irgendwelche Unannehmlichkeiten für den General nach sich, und über ihn hinaus auch für Sie? Bei Gott, ich denke dabei nicht an mich, sondern an Sie und, meinetwegen – an den General. Und was soll dieser Einfall, mir nichts, dir nichts eine Frau zu kränken?«
    »Nein, Sie sind doch nur ein Schwätzer, wie ich sehe«, sagte sie verächtlich. »Es waren nur Ihre Augen, die vorhin blutunterlaufen waren – was übrigens an dem vielen Wein liegen mag, den Sie bei Tisch getrunken haben. Weiß ich denn nicht selbst, daß es sowohl albern als auch vulgär ist, und daß der General in Wut geraten wird? Ich will einfach lachen. Nun, ich will es, und das reicht! Und wieso sollten Sie eine Frau kränken? Sie werden eher selbst mit dem Stock traktiert.«
    Ich wandte mich ab und erhob mich wortlos, um ihren Auftrag zu erfüllen. Natürlich war er albern, natürlich war es mir nicht gelungen, mich seiner zu entledigen, aber während ich auf die Baronin zuging, ich weiß es noch, spürte ich so etwas wie eine Art eigener Lust, und zwar Lust auf einen Schulbubenstreich. Ich war ja auch schrecklich gereizt, wie im Rausch.

Kapitel VI
    Nun liegt jener alberne Tag bereits zwei Tage zurück. Wieviel Gerede, Aufregung, Gerüchte, Krach! Welch ein Durcheinander, Spannungen, Torheit, Abgeschmacktheit, und ich bin an allem schuld. Übrigens, es ist immer wieder zum Lachen – wenigstens für mich. Ich kann selbst nicht beurteilen, was mit mir geschehen ist, ob ich mich tatsächlich im Zustand einer Geistesverwirrung befinde oder ob es sich um eine Entgleisung handelt und ich so lange über die Stränge schlage, bis man mich in eine Zwangsjacke steckt. Zuweilen scheint mir, daß ich den Verstand verliere. Aber zuweilen scheint mir, daß ich noch nicht weit genug über meine Kindheit, über die Schulbank hinausgewachsen bin und einfach die üblichen Schulbubenstreiche weiterspiele.
    Das liegt an Polina, das alles liegt an Polina! Vielleicht käme es auch zu keinen Schulbubenstreichen, wenn sie nicht wäre. Wer weiß, vielleicht treibe ich das alles aus Verzweiflung (wie dumm es übrigens auch sein mag, solche Überlegungen anzustellen). Ich verstehe nicht, ich verstehe es nicht, was an ihr so besonders gut ist! Sie ist schön, allerdings, schön; sie ist schön, wie mir scheint. Denn sie verdreht auch anderen den Kopf. Großgewachsen und schlank. Nur zu dünn. Man könnte sie zu einem Knoten binden, scheint mir, oder in der Mitte zusammenklappen. Die Spur ihres Fußes ist schmal und lang – quälend. Eben quälend. Das Haar mit rötlichem Schimmer. Die Augen – wahre Katzenaugen, aber wie stolz und hochmütig kann ihr Blick sein. Vor etwa vier Monaten, als ich gerade meine Stelle angetreten hatte, führte sie eines Abends im Saal ein langes und lebhaftes Gespräch mit des Grieux. Und sah ihn dabei an, so … daß ich mir später, als ich in meinem Zimmer zu Bett gehen wollte, einbildete, sie habe ihn geohrfeigt – gerade eben geohrfeigt, und nun steht sie vor ihm und sieht ihn an … Und seit diesem Abend liebe ich sie.
    Übrigens, zur Sache.
    Ich ging den schmalen Weg zur Allee hinab, blieb mitten in der Allee stehen und erwartete die Baronin und den Baron. Als sie sich mir bis auf fünf Schritte genähert hatten, zog ich den Hut und verneigte mich.
    Ich erinnere mich, die Baronin trug ein Seidenkleid von unermeßlichem Umfang, hellgrau, mit Falbeln, Krinoline und Schleppe. Sie ist klein und ungewöhnlich beleibt, mit einem furchtbar dicken, hängenden Doppelkinn, so daß der Hals überhaupt nicht zu sehen ist. Blaurotes Gesicht. Kleine, böse und

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