Der Spieler
allerdings außerstande, es nachzuvollziehen, weil ich keine Frau bin. Vielleicht sind gerade die Hähne das Richtige. Überhaupt rede ich das Blaue vom Himmel herunter, und Sie unterbrechen mich nicht. Sie müssen mich öfter unterbrechen; wenn ich mit Ihnen rede, möchte ich alles, alles, alles aussprechen. Ich verliere jede Form. Ich stimme sogar zu, daß mir nicht nur die Form fehlt, sondern auch, daß ich keinerlei Vorzüge habe. Das tue ich Ihnen zu wissen kund. Ich mache mir nicht einmal etwas aus irgendeinem Vorzug. Jetzt ist alles in mir zum Stillstand gekommen. Sie wissen ja selbst, warum. Ich habe nicht einen einzigen menschlichen Gedanken im Kopf. Ich weiß schon seit langem nicht mehr, wie es in der Welt aussieht, weder in Rußland noch hier. Ich bin gerade über Dresden gereist und habe keine Ahnung, wie Dresden ist. Sie wissen ja, was mich absorbiert. Da ich keinerlei Hoffnung habe und in Ihren Augen eine Null bin, spreche ich unverblümt: Ich sehe nur Sie, wo auch immer, alles übrige ist mir egal. Warum und wie ich Sie liebe – das weiß ich nicht. Wissen Sie, daß Sie vielleicht gar keine Schönheit sind? Stellen Sie sich vor, ich weiß nicht einmal, ob Sie schön sind, nicht einmal, ob Ihr Gesicht schön ist! Sie haben, wahrscheinlich, kein gutes Herz; und keinen lauteren Kopf; das kann sehr gut sein.«
»Vielleicht haben Sie gerade deshalb vor, mich mit Geld zu kaufen«, sagte sie, »weil Sie an meiner Lauterkeit zweifeln.«
»Wann habe ich denn vorgehabt, Sie mit Geld zu kaufen?« rief ich aus.
»Sie haben sich verstiegen und haben den Faden verloren. Wenn nicht gerade mich, so haben Sie doch vor, meine Achtung mit Geld zu kaufen.«
»Das nicht ganz. Ich habe Ihnen doch gesagt, daß es mir schwerfällt, mich deutlich zu erklären. Sie überwältigen mich. Nehmen Sie mir meine Suada nicht übel. Sie begreifen doch, warum man mir nichts übelnehmen darf: Ich bin einfach geisteskrank. Ach was, es ist mir übrigens ganz egal, von mir aus dürfen Sie sich ruhig ärgern. Ich brauche mich nur oben, in meiner Kammer, an das Rascheln Ihres Kleides zu erinnern und es mir vorzustellen, und ich bin drauf und dran, mir die Hände blutig zu beißen. Und weshalb wollen Sie sich über mich ärgern? Etwa deshalb, weil ich mich einen Sklaven nenne? Nutzten Sie, nutzten Sie doch Ihren Sklaven aus, nutzten Sie ihn aus! Wissen Sie, daß ich Sie irgendwann umbringen werde? Und ich werde Sie umbringen, nicht weil ich aufhören könnte, Sie zu lieben, oder aus Eifersucht, sondern – nur so, einfach umbringen – weil es mich manchmal danach drängt, Sie zu verschlingen. Sie lachen …«
»Ich lache überhaupt nicht«, sagte sie zornig. »Ich befehle Ihnen zu schweigen.«
Sie verstummte, fast atemlos vor Zorn. Bei Gott, ich weiß nicht, ob sie schön war, aber ich habe es jedenfalls immer sehr gern gesehen, wenn sie auf diese Weise vor mir verstummte, und deshalb gern ihren Zorn herausgefordert. Vielleicht war es ihr aufgefallen und sie hatte sich bewußt geärgert. Das habe ich ihr gesagt.
»Wie ekelhaft!« rief sie angewidert.
»Das ist mir egal«, fuhr ich fort. »Wissen Sie auch, daß es gefährlich ist, wenn wir beide allein sind: Ich hatte öfter das unwiderstehliche Verlangen, Sie niederzuschlagen, zu verstümmeln, zu erwürgen. Und Sie glauben wohl, daß es so weit nicht kommt? Sie bringen mich um den Verstand. Sollte ich mich vor einem Skandal fürchten? Oder vor Ihrem Zorn? Was kann mir Ihr Zorn schon bedeuten? Ich liebe ohne jede Hoffnung und weiß, daß ich danach tausendmal heftiger lieben werde. Sollte ich Sie einmal töten, so müßte ich auch mich umbringen; aber ich werde mich möglichst lange nicht umbringen, um diesen unerträglichen Schmerz ohne Sie auszukosten. Wissen Sie auch von der unglaublichen Tatsache: Ich liebe Sie von Tag zu Tag
mehr,
und das ist beinahe unmöglich. Wie sollte ich da nicht zum Fatalisten werden? Erinnern Sie sich noch, vorgestern, auf dem Schlangenberg, flüsterte ich Ihnen, nachdem Sie mich herausgefordert hatten, zu: Nur ein einziges Wort von Ihnen, und ich springe in diesen Abgrund. Hätten Sie dieses Wort gesagt, wäre ich gesprungen. Glauben Sie mir etwa nicht, daß ich gesprungen wäre?«
»Was für ein törichtes Geschwätz!« rief sie.
»Das schert mich überhaupt nicht, ob es töricht ist oder klug«, rief ich. »Ich weiß, daß ich in Ihrer Gegenwart reden muß, reden, reden, reden – und ich rede. Ich verliere in Ihrer Gegenwart meinen ganzen
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