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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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unverschämte Augen. Bei jedem Schritt scheint sie der Menschheit eine besondere Ehre zu erweisen. Der Baron ist hager und sehr groß. Das Gesicht, wie bei Deutschen üblich, schief und mit tausend feinen Runzeln überzogen; Brille; etwa fünfundvierzig Jahre. Die Beine beginnen fast unmittelbar unter der Brust; soll ein Zeichen von Rasse bedeuten. Stolz wie ein Pfau. Ein wenig linkisch. Im Gesicht etwas von einem Hammel, das auf seine Art den Tiefsinn ersetzt.
    All das registrierten meine Augen in drei Sekunden.
    Meine Verbeugung und der Hut in meiner Hand hatten anfangs ihre Aufmerksamkeit kaum erregt. Der Baron zog nur ein wenig die Brauen zusammen. Die Baronin segelte geradewegs auf mich zu.
    »Madame la baronne«, sagte ich laut und deutlich, jedes Wort betonend, »j’ai l’honneur d’être votre esclave.«
    Darauf machte ich einen tiefen Diener, setzte den Hut auf und schritt an dem Baron vorbei, wobei ich ihm weltmännisch das Gesicht zuwandte und ihn anlächelte.
    Sie hatte mir befohlen, den Hut zu ziehen, aber die Verbeugung und der Schulbubenstreich waren mein eigener Einfall. Der Teufel mag wissen, was in mich gefahren war! Ich hatte das Gefühl, als stürzte ich einen Berg hinunter.
    »Gejn!« rief oder, besser gesagt, schnarrte der Baron, indem er sich ärgerlich und erstaunt mir zuwandte.
    Ich wandte mich ihm ebenfalls zu und verharrte in ehrfürchtiger Erwartung, ohne den Blick von ihm abzuwenden, immer noch lächelnd. Er war offensichtlich ratlos und zog die Augenbrauen bis zum nec plus ultra hoch. Sein Gesicht verdüsterte sich zusehends. Die Baronin hatte sich ebenfalls mir zugewandt und warf mir ebenfalls einen zornigen und erstaunten Blick zu. Die Spaziergänger wurden neugierig. Manche blieben sogar stehen.
    »Gejn!« schnarrte der Baron abermals, doppelt so laut und doppelt so grimmig.
    »Jawohl!« antwortete ich gemächlich mit einem unverwandt auf seine Augen gerichteten Blick.
    »Sind Sie rasend?« rief er, wobei er mit dem Stock ausholte und es, dem Anschein nach, ein wenig mit der Angst zu tun bekam. Vielleicht war er durch meinen Anzug ein wenig unsicher geworden. Ich war höchst anständig, sogar elegant gekleidet, wie jemand, der fraglos zur besten Gesellschaft gehört.
    »Jawo-o-ohl!« rief ich plötzlich mit voller Stimme, wobei ich das »o« nach Art der Berliner überdehnte, die im Gespräch die Floskel »jawohl« jeden Augenblick gebrauchen und dabei das »o« mehr oder weniger in die Länge ziehen, um die verschiedenen Nuancen ihrer Gedanken und Empfindungen auszudrücken.
    Der Baron und die Baronin machten schleunigst vor mir kehrt und ergriffen erschrocken die Flucht. Im Publikum erhoben sich einige Stimmen, manche musterten mich verblüfft. Übrigens weiß ich es nicht mehr genau.
    Ich drehte mich auf dem Absatz um und begab mich in meinem gewohnten Schritt zu Polina Alexandrowna. Aber als ich noch ungefähr hundert Schritt von ihrer Bank entfernt war, sah ich, daß sie aufstand und sich mit den Kindern auf den Weg zum Hotel machte.
    Ich holte sie vor dem Eingang ein.
    »Ich habe den … Narrenstreich ausgeführt«, sagte ich, als ich vor ihr stand.
    »Ja, und? Jetzt können Sie die Geschichte ausbaden«, sagte sie und stieg, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, die Treppe hinauf.
    Diesen ganzen Abend strich ich im Park umher. Quer durch den Park und dann durch einen Wald gelangte ich sogar in ein anderes Fürstentum. In einem Bauernhaus aß ich ein Spiegelei und trank dazu Wein: Für diese Idylle knöpfte man mir ganze anderthalb Taler ab.
    Erst gegen elf kehrte ich nach Hause zurück. Sogleich wurde ich zum General beschieden.
    Die Unsrigen bewohnen im Hotel zwei Appartements: vier Zimmer. Das erste, größte ist der Salon, mit einem Flügel. Das Zimmer daneben, ebenfalls groß – dient dem General als Kabinett. Hier erwartete er mich, mitten im Raum stehend, in wahrhaft majestätischer Haltung. Des Grieux hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht.
    »Verehrter Herr, gestatten Sie mir zu fragen, was Sie angerichtet haben?« begann der General, indem er sich mir zuwandte.
    »Ich wünschte, mein General, Sie kämen geradewegs zur Sache«, sagte ich. »Sie wünschen vermutlich, sich über meine heutige Begegnung mit einem Deutschen zu unterhalten.«
    »Mit einem Deutschen?! Dieser Deutsche ist der Baron Wurmerhelm und eine bedeutende Persönlichkeit! Sie sind ihm und der Frau Baronin despektierlich entgegengetreten.«
    »Nicht im mindesten.«
    »Sie haben sie

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