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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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geben Sie doch dieses unsinnige Vorhaben auf!« stotterte der General, der plötzlich seinen zornigen Ton mit einem flehentlichen vertauscht und mich sogar an den Händen gepackt hatte. »Stellen Sie sich doch nur vor, wohin das führt? Zu weiterem Ärger! Sie werden doch selbst einsehen, daß ich mich hier auf ganz spezielle Weise in acht zu nehmen habe … zumal jetzt! … namentlich jetzt! … Oh, Sie wissen nichts, Sie wissen nichts von meinen ganzen Verhältnissen! … Sobald wir hier aufbrechen, werde ich Sie wieder engagieren. Es gilt nur für jetzt, ich meine nur so, es gibt doch gewisse Gründe, das müssen Sie verstehen!« rief er verzweifelt, »Alexej Iwanowitsch, Alexej Iwanowitsch! …«
    Indem ich zur Tür retirierte, beschwor ich ihn noch einmal, sich nicht zu beunruhigen, versprach, daß alles gut und anständig ausgehen würde, und eilte schließlich davon.
    Manche Russen pflegen im Ausland schrecklich ängstlich und fürchterlich besorgt darüber zu sein, wie man über sie redet und urteilt, ob dies oder jenes an ihrem Verhalten schicklich sei – mit einem Wort, sie benehmen sich so, als trügen sie ein Korsett, zumal jene, denen es um ein hohes Ansehen zu tun ist. Am liebsten ist ihnen eine feststehende, eine bewährte Form, der sie sklavisch folgen können – in Hotels, bei Promenaden, bei Gesellschaften, auf Reisen … Dem General jedoch war entschlüpft, daß er sich darüber hinaus in irgendwelchen besonderen Verhältnissen befinde und sich »auf ganz spezielle Weise« benehmen müsse. Das war es ja, warum er so plötzlich kleinmütig und ängstlich geworden war und mir gegenüber einen anderen Ton eingeschlagen hatte. Ich nahm es zur Kenntnis und merkte mir das. Natürlich konnte er am nächsten Morgen in seiner Torheit sich an irgendeine Behörde wenden, so daß ich in der Tat vorsichtiger sein mußte.
    Übrigens lag mir keineswegs etwas daran, ausgerechnet den General zu reizen; ich hatte jetzt nur die größte Lust, Polina zu ärgern. Polina hatte mich so grausam behandelt, sie war es, die mich auf diesen albernen Gedanken gebracht hatte, so daß ich mir jetzt nichts anderes wünschte, als sie soweit zu bringen, mich höchstpersönlich um Einhalt zu bitten. Mein Schulbubenstreich könnte schließlich auch sie kompromittieren. Außerdem begannen auch andere Gefühle und Wünsche sich in mir zu regen; wenn ich mich vor ihr, zum Beispiel, freiwillig in ein Nichts verwandele, so bedeutet das noch lange nicht, daß ich vor anderen Menschen als ein nasses Huhn auftrete und daß dieser Baron mich selbstverständlich mit »seinem Stock traktieren« könnte. Ich hatte den Wunsch, mich über sie alle lustig zu machen und selbst als Held dazustehen. Sie sollen vor Staunen den Mund aufreißen. Nur keine Angst! Sie wird vor einem Skandal zurückschrecken und mich wieder zu sich rufen. Auch wenn sie mich nicht ruft, wird sie immerhin sehen, daß ich kein nasses Huhn bin …
     
    (Eine erstaunliche Nachricht: Gerade erfahre ich von unserer Kinderfrau, die ich im Treppenhaus traf, daß Marja Filippowna heute, mutterseelenallein, nach Karlsbad abgereist ist, mit dem Abendzug, zu ihrer Cousine. Was hat diese Neuigkeit zu bedeuten? Die Njanja meint, sie habe es schon lange vorgehabt; aber warum hat niemand davon gewußt? Übrigens, vielleicht bin ich ja der einzige, der es nicht gewußt hat. Die Kinderfrau verriet mir, daß Marja Filippowna bereits vor drei Tagen ein ernstes Gespräch mit dem General hatte. Ich verstehe. Es ging bestimmt um Mademoiselle Blanche. Ja, uns steht allerlei Entscheidendes bevor.)

Kapitel VII
    Am nächsten Morgen rief ich den Kellner und ließ ihn wissen, daß künftig meine Rechnung gesondert aufzustellen sei. Mein Zimmer war nicht so teuer, daß ich mich erschrecken und womöglich aus dem Hotel ausziehen mußte. Ich besaß sechzehn Friedrichsdor, und dann … dann kam vielleicht der Reichtum! Merkwürdig, ich hatte noch nicht gewonnen, aber ich handelte, fühlte und dachte wie ein reicher Mann, völlig außerstande, mir andere Vorstellungen zu bilden.
    Ich hatte mir vorgenommen, mich ungeachtet der frühen Stunde sofort zu Mister Astley zu begeben, ins Hotel d’Angleterre, das nur wenige Schritte von uns entfernt lag, als plötzlich des Grieux in mein Zimmer trat. Das war noch nie vorgekommen, überdies war unsere Beziehung in letzter Zeit denkbar gespannt, und wir waren uns völlig fremd geworden. Er gab sich nicht die leiseste Mühe, seine Geringschätzung mir

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