Der Spieler
gegenüber zu kaschieren, er legte es sogar darauf an, sie möglichst deutlich zu zeigen; und ich – ich hatte meine besonderen Gründe, ihm nicht gewogen zu sein. Mit einem Wort, ich haßte ihn. Sein Kommen erstaunte mich außerordentlich. Ich begriff sofort, daß ein spezieller Anlaß vorliegen mußte.
Er gab sich sehr liebenswürdig und machte mir sogar ein Kompliment zu meinem Zimmer. Als er bemerkte, daß ich meinen Hut in der Hand hielt, erkundigte er sich, ob ich immer in solcher Frühe einen Spaziergang zu machen pflege. Sobald er hörte, daß ich Mister Astley in einer wichtigen Angelegenheit aufsuchen wolle, überlegte er einen Moment, kombinierte, und sein Gesicht nahm einen überaus besorgten Ausdruck an.
Des Grieux gab sich wie alle Franzosen für witzig und liebenswürdig, sobald es vorteilhaft und nützlich war, und unerträglich langweilig, wenn eine solche Notwendigkeit vorüber war. Der Franzose ist selten liebenswürdig von Natur aus; er ist liebenswürdig stets sozusagen auf Befehl, aus Berechnung. Wenn, zum Beispiel, die Notwendigkeit eintritt, sich phantasievoll, originell, extravagant zu geben, so erweist sich seine Phantasie, die beschränkt und unnatürlich ist, als eine Kombination aus bereits akzeptierten und längst abgegriffenen Formen. Der Franzose en nature zeigt eine denkbar spießige kleinliche Alltagspositivität – mit einem Wort, er ist das ödeste Wesen der Welt. Meiner Meinung nach können nur Neulinge und ganz besonders junge russische Damen sich für Franzosen interessieren. Jedem Erwachsenen mit Erfahrung müßte die Routine der ein und für alle Male eingefrorenen Schablonen von Liebenswürdigkeit, Lockerheit und Heiterkeit auffallen und unerträglich sein.
»Ich komme in einer wichtigen Angelegenheit«, begann er außerordentlich ungezwungen, übrigens höflich, »und will es Ihnen keineswegs verschweigen, als Bote oder, besser gesagt, Vermittler des Generals. Da meine Kenntnisse der russischen Sprache durchaus mangelhaft sind, habe ich gestern kaum etwas verstanden; aber der General hat es mir ausführlich erklärt, und ich gestehe, daß …«
»Aber hören Sie, Monsieur des Grieux«, unterbrach ich ihn, »nun haben Sie auch in dieser Angelegenheit die Rolle eines Vermittlers übernommen. Ich bin natürlich ›un outchitel‹ und habe nie die Ehre in Anspruch genommen, ein naher Freund zu sein oder sonst eine intime Beziehung zu unterhalten, deshalb sind mir keineswegs alle Verhältnisse der Familie bekannt; aber klären Sie mich auf: Ist es denn möglich, daß Sie jetzt nun zu den Mitgliedern dieser Familie im engsten Sinne gehören? Weil Sie doch eine solch lebhafte Anteilnahme in jeder Beziehung an den Tag legen und sofort, bei jeder Gelegenheit, als Vermittler zur Verfügung stehen …«
Meine Frage mißfiel ihm eindeutig. Sie war für ihn allzu durchsichtig, aber er war keineswegs gewillt, die Katze aus dem Sack zu lassen.
»Mich verbinden mit dem General sowohl Geschäfte als auch zum Teil
gewisse besondere
Angelegenheiten«, antwortete er trocken. »Der General beauftragte mich, Sie zu bitten, Ihr gestriges Vorhaben aufzugeben. Alles, was Ihnen einfiel, war natürlich sehr scharfsinnig; aber er hat mich gerade deshalb gebeten, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß Ihnen kein Erfolg beschieden sein wird; noch mehr: der Baron wird Sie nicht empfangen, ihm stehen schließlich alle Mittel zur Verfügung, sich vor weiteren Belästigungen Ihrerseits zu schützen. Das müssen Sie selbst zugeben. Weshalb, sagen Sie mir doch, wollen Sie beharren? Der General verspricht Ihnen, Sie können sich darauf verlassen, Sie von neuem in sein Haus aufzunehmen, bei der ersten passenden Gelegenheit, und Ihnen bis dahin Ihr Gehalt, vos appointements , weiterzuzahlen. Das ist doch ziemlich günstig, nicht wahr?«
Ich erwiderte darauf völlig gelassen, daß ihm ein kleiner Irrtum unterlaufen sei; daß ich vielleicht von dem Baron keineswegs davongejagt, sondern angehört werden könnte, und bat ihn meinerseits zuzugeben, daß er gerade deshalb bei mir erschienen sei, um auszukundschaften: wie gedenke ich in der Sache zu verfahren?
»Mon dieu, wenn der General sich so sehr für diese Geschichte interessiert, so muß es ihm doch selbstverständlich angenehm sein zu wissen, wie und auf welche Weise Sie zu verfahren gedenken! Das ist doch ganz natürlich!«
Ich begann mit meinen Erklärungen, und er hörte zu, in bequemer Pose, mit ein wenig zu mir geneigtem Kopf und einer
Weitere Kostenlose Bücher