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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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wie mir scheint, damit anfangen sollen … wenn es sich wirklich um einen Auftrag gehandelt hat.«
    »Oh, ich wünschte … überhaupt ist das alles so seltsam, daß Sie meine natürliche Ungeduld verzeihen werden. Mich drängte es selbst, persönlich, unmittelbar aus Ihrem eigenen Munde, von Ihren Absichten zu erfahren. Ich bin über den Inhalt des Zettels nicht unterrichtet und dachte, daß ich immer noch Zeit hätte, um ihn Ihnen zu übergeben.«
    »Ich begreife, Sie hatten schlicht und einfach die Weisung erhalten, den Zettel nur im äußersten Falle auszuhändigen und ihn zu behalten, wenn man sich vorher mündlich einigen könnte. Stimmt das, reden Sie, Monsieur des Grieux!«
    » Peut-être «, sagte er mit der Miene einer besonderen Zurückhaltung und fixierte mich mit einem besonderen Blick.
    Ich griff nach meinem Hut; er nickte und ging. Ich glaube, auf seinen Lippen lag ein spöttisches Lächeln. Und wie hätte es auch anders sein können?
    »Wir rechnen noch ab, du elender Franzos, wir messen noch unsere Kräfte!« murmelte ich, während ich die Treppen hinunterstieg. Ich konnte noch gar nicht klar denken, mein Kopf war wie benommen. Die frische Luft tat mir wohl.
    Ein paar Minuten später, kaum war ich wieder zu mir gekommen, tauchten in mir zwei Gedanken auf: der
erste
 – daß eine solche Bagatelle, solche kindischen, unglaubwürdigen Drohungen eines Schulbuben, die gestern beiläufig gefallen waren, eine derart
allgemeine
Unruhe entfachen konnten! Und der
zweite
Gedanke – wie es mit dem Einfluß dieses Franzosen auf Polina bestellt sei? Ein einziges Wort von ihm – und sie tut alles, was er braucht, sie schreibt einen Zettel und
bittet
mich sogar. Freilich, ihre Beziehungen sind mir schon immer ein Rätsel gewesen, von Anfang an, seit ich sie kenne; allerdings ist mir in den letzten Tagen ihre entschiedene Abneigung ihm gegenüber aufgefallen, sogar eine Verachtung, während er sie nicht einmal eines Blickes würdigte und manchmal sogar unhöflich behandelte. Das war mir aufgefallen. Polina hat mir von sich aus von einer Abneigung gesprochen; es waren höchst bedeutsame Geständnisse, die ihr bereits entschlüpft sind … Das bedeutet, daß sie einfach in seiner Gewalt ist, an irgendwelchen Ketten …

Kapitel VIII
    Auf der Promenade, wie hier die Kastanienallee genannt wird, traf ich meinen Engländer.
    »Oh, oh«, begann er, als er mich sah, »ich will zu Ihnen und Sie zu mir. Sie haben sich also von der Familie bereits getrennt?«
    »Sagen Sie doch erst, woher Sie das alles wissen«, fragte ich erstaunt, »ist es denn möglich, daß allen alles bekannt ist?«
    »O nein, es ist nicht allen bekannt; es ist auch nicht wert, allen bekannt zu sein. Niemand spricht davon.«
    »Und wie kommt es dazu, daß Sie es wissen?«
    »Ich weiß es, vielmehr, ich hatte Gelegenheit, es zu erfahren. Wohin werden Sie jetzt von hier verreisen? Ich mag Sie und wollte deshalb zu Ihnen.«
    »Sie sind ein prächtiger Mensch, Mister Astley«, sagte ich (ich war übrigens wirklich verblüfft: Woher wußte er es?), »und da ich noch keinen Kaffee getrunken habe und Sie wahrscheinlich nur einen schlechten, lassen Sie uns ins Café am Kurhaus gehen, uns dort niederlassen, rauchen, und ich werde Ihnen alles erzählen … und Sie erzählen mir auch.«
    Das Café war hundert Schritt entfernt. Der Kaffee wurde serviert, wir machten es uns bequem, ich steckte meine Zigarette an, Mister Astley rauchte nicht, er sah mich unentwegt an und schien ganz Ohr.
    »Ich werde nirgendwohin verreisen, ich bleibe hier«, begann ich.
    »Ich war überzeugt, daß Sie hier bleiben werden«, meinte Mister Astley beifällig.
    Auf dem Weg zu Mister Astley hatte ich nicht die geringste Absicht gehabt, ihm von meiner Liebe zu Polina zu erzählen, ganz bewußt nicht. In diesen ganzen Tagen habe ich es ihm gegenüber mit keiner einzigen Silbe erwähnt. Außerdem war er sehr schüchtern. Mir war gleich beim ersten Mal aufgefallen, daß Polina einen außerordentlichen Eindruck auf ihn gemacht hatte, aber ihren Namen erwähnte er nie. Aber es war merkwürdig, daß jetzt, plötzlich, kaum daß er sich gesetzt und seinen aufmerksamen blaugrauen Blick auf mich gerichtet hatte, in mir, ich weiß nicht warum, sich der Drang regte, ihm alles zu erzählen, das heißt, meine ganze Liebe, mit all ihren Nuancen. Ich erzählte mindestens eine halbe Stunde lang und fühlte mich dabei außerordentlich wohl, das war das erste Mal, daß ich davon erzählte! Sobald

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